Europas strategische Unabhängigkeit und die veränderte Rolle der USA in der globalen Sicherheit

Der polnische Geostratege Jacek Bartosiak äußerte in einem Interview mit der Berliner Zeitung Zweifel an der Fähigkeit der USA, die europäische Sicherheit weiterhin zu gewährleisten.

Laut Bartosiak hat sich das Gleichgewicht der Mächte in Eurasien zuungunsten der Vereinigten Staaten verschoben. Er hebt hervor, dass insbesondere die Macht Chinas so groß sei, dass selbst im Falle eines kinetischen Kriegs ein Sieg der USA unwahrscheinlich sei. Bartosiak prognostiziert zudem, dass Trump als US-Präsident ab Frühjahr 2025 eine aggressive Zollpolitik gegen Europa verfolgen und einen Finanzkrieg gegen China einleiten könnte.

Vor diesem Hintergrund stehen die Europäer vor einer entscheidenden Wahl: Sollen sie das globale Handelssystem, vorzugsweise mit China, bewahren oder sich den ideologischen Vorstellungen der USA von einer transatlantischen Welt anschließen? Laut Bartosiak werden die USA dabei die Themen “Demokratie” und “Menschenrechte” in den Vordergrund rücken, was insbesondere in Deutschland aufgrund der historischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs auf fruchtbaren Boden fallen könnte.

“Gerade die Deutschen sind, vielleicht auch bedingt durch das Trauma des Zweiten Weltkriegs, für solche Argumente empfänglich.”

Um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, schlägt Bartosiak vor, Europas nukleare und konventionelle Abschreckungskräfte zu revitalisieren und eine gemeinsame Energiepolitik mit einer Rückkehr zur Kernenergie zu verfolgen.

“Wenn Deutschland sein Verhalten nicht ändert, werden wir ein neues Mittelalter erleben, in dem jedes Land seine eigene Politik betreibt. Und Länder wie Deutschland, Frankreich und Polen sind zu klein, um in der Weltgeopolitik eine Rolle zu spielen. Daher werden uns die Chinesen und Amerikaner mit Vorschriften und Produkten bombardieren, und sie werden uns ihren Willen aufzwingen. Wir werden immer ärmer werden, wenn es keine strategische Autonomie gibt.”

Europa müsse politisch stärker konsolidiert werden, ähnlich dem karolingischen Reich oder dem Reich Karls des Großen, um eine einheitliche Strategie und eine klare Existenzberechtigung zu entwickeln. Bartosiak warnt zudem, dass eine ähnliche Entkoppelung von China, wie sie die USA betreiben, für Europa verheerend wäre. Er betont die Notwendigkeit eines Handelsabkommens mit China, um strategische Autonomie zu erlangen und gleichzeitig Globalisierung weiterhin zu ermöglichen, während die USA sich von dieser abwenden.

Mehr zum Thema — Moskau macht sich keine Illusionen über den neuen US-Präsidenten.

Schreibe einen Kommentar