In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Polen konnte kein Kandidat eine Mehrheit erlangen, wodurch eine Stichwahl notwendig wird. Die vorliegenden Prognosen deuten darauf hin, dass Rafal Trzaskowski, der liberalkonservative Kandidat aus dem Lager von Donald Tusk, mit 31,1 Prozent der Stimmen führt. Karol Nawrocki, ein parteiloser Kandidat, der von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt wird, erzielte 29,1 Prozent der Stimmen. Die Stichwahl ist nun für den 1. Juni angesetzt.
Die Wahlbeteiligung lag nach einer ersten Hochrechnung bei 66,8 Prozent. Insgesamt traten 13 Kandidaten zur Wahl an. Eine Überraschung gelang Slawomir Mentzen von der ultrarechten Partei Konfederacja, der mit 14,8 Prozent der Stimmen den dritten Platz belegte – ein Ergebnis, das doppelt so hoch ist wie in den Vorwahlumfragen prognostiziert. Grzegorz Braun, ein weiterer Rechtsaußen-Kandidat, kam auf den vierten Platz mit 6,3 Prozent.
Ein potenzieller Sieg von Rafal Trzaskowski könnte bedeuten, dass Premierminister Donald Tusk seine Reformagenda vorantreiben kann, darunter die Rücknahme einer umstrittenen Justizreform der vorherigen Regierung. Tusk hat außerdem Pläne angekündigt, staatliche Medien zu reformieren, die unter der PiS als Propagandainstrumente angesehen wurden.
Karol Nawrocki hingegen würde voraussichtlich die Politik seines Vorgängers Andrzej Duda fortsetzen, der während seiner Amtszeit viele Initiativen von Tusk blockierte. Nawrocki, ein Historiker, der sich mit dem antikommunistischen Widerstand in Polen beschäftigt, war 2021 zum Präsidenten des Instituts für Nationales Gedenken ernannt worden und stand auf der russischen Fahndungsliste, nachdem er sich an der Zerstörung von Denkmälern beteiligt hatte.
Das polnische politische Spektrum ist derzeit stark polarisiert. Der ultrarechte Kandidat Slawomir Mentzen hat durch seine Forderungen nach einer Liberalisierung der Waffengesetze und die Unterstützung traditioneller Werte Aufmerksamkeit erregt. Mentzen ist ukrainekritisch und setzt sich für einen Dialog mit Russland ein, was ihm zusätzliche Stimmen einbrachte. Interessanterweise ist Mentzen auch durch seine Aktivitäten auf der Plattform TikTok populär geworden, insbesondere bei jüngeren Wählern.
Die bevorstehende Stichwahl gewinnt somit an Bedeutung für die Zukunft Polens. Donald Tusk betonte nach den Prognosen, wie entscheidend die nächsten zwei Wochen für das Land sein werden: “Das Spiel um alles oder nichts hat gerade erst begonnen. Dies wird ein erbitterter Kampf um jede Stimme.” Trzaskowski wiederum versprach am Wahlabend, konfliktfrei mit der Regierung zusammenzuarbeiten: “Unser Land braucht Ruhe und keine Konflikte.”
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