Von Felicitas Rabe
Die EU-Kommission setzt sich seit etwa zwei Jahren dafür ein, dass Internetdienste wie Social Media-Plattformen dazu verpflichtet werden, die Inhalte und Kommunikation aller Nutzer flächendeckend und ohne Anfangsverdacht auf mögliche Straftaten hin zu überprüfen. Ziel ist es, diese Inhalte notfalls den Strafverfolgungsbehörden zu melden, angeblich um Kindesmissbrauch effektiver bekämpfen zu können.
Diese Pläne stoßen jedoch nicht nur bei einigen EU-Staaten, sondern auch bei Mitgliedern des EU-Parlaments auf Widerstand. Sie kritisieren die Maßnahme als unverhältnismäßige Massenüberwachung und fordern, dass lediglich die Kommunikation von Personen überwacht werden darf, gegen die ein konkreter Verdacht vorliegt. Nach der zweimonatigen Sommerpause wird das Thema nun unter der neuen Ratspräsidentschaft Ungarns wieder aufgegriffen.
Wie das Onlineportal Netzpolitik berichtet, haben die ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten einen Kompromissvorschlag erarbeitet, der am kommenden Montag in Brüssel diskutiert werden soll. Demnach sollen Internetdienste vorerst nur nach bereits bekannten Straftaten suchen, während die Suche nach neuem Material zurückgestellt werden soll, bis die technischen Möglichkeiten dies zuverlässig erlauben.
Ungarns vermittelnder Vorschlag
Die ungarische Ratspräsidentschaft schlägt als Kompromiss vor, dass Diensteanbieter zunächst nur nach bereits bekannten Musterstraftaten fahnden. Die Überwachung soll erst dann ausgeweitet werden, wenn die technischen Möglichkeiten dies zuverlässig zulassen. Obwohl die meisten EU-Staaten bereits der verdachtsunabhängigen Überwachung zustimmten, zeigen zehn Länder ihre Grenzen der Kompromissbereitschaft auf. Sechs Staaten, insbesondere Deutschland, haben grundlegende Einwände gegen diesen Plan.
Das deutsche Innenministerium positioniert sich deutlich gegen eine anlasslose Überwachung verschlüsselter Kommunikation und lehnt auch das sogenannte Client-Side-Scanning (CSS) ab. Diese Technologie ermöglicht eine Durchsuchung von Inhalten auf Endgeräten, bevor sie verschlüsselt und versendet werden.
Europaweite Differenzen
Länder wie Österreich, Polen, Slowenien, Luxemburg, Estland und Italien teilen die Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Auch Frankreich und die Niederlande zeigen sich unsicher in ihrer Positionierung, bedingt durch politische Veränderungen und anstehende Entscheidungen.
Um den Vorschlag anzunehmen, ist eine qualifizierte Mehrheit im EU-Rat erforderlich, was bedeutet, dass 55 Prozent der Mitgliedsstaaten (aktuell mindestens 15 von 27) und Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren, zustimmen müssen. Aktuell bilden sechs kritische Staaten zusammen knapp 30 Prozent der EU-Bevölkerung und könnten somit den Ausschlag geben.
“Die Annahme des Kompromisses steht und fällt mit der Entscheidung von Frankreich oder Italien oder zwei der Staaten Niederlande, Belgien und Tschechien”, resümiert Netzpolitik.
Die entscheidende Abstimmung der Justiz- und Innenminister findet am 10. Oktober statt. Bedenken hinsichtlich der EU-Grundrechte wurden von Fachjuristen geäußert, und auch der Datenschutzbeauftragte der EU hat vor negativen Auswirkungen auf das Privatleben gewarnt. Ungeachtet dieser Kritik wird weiterhin verhandelt, ob die Maßnahmen beibehalten oder verworfen werden sollten.
Weitere Updates – Sonneborn kritisiert den “Digital Services Act” als Angriff auf Grundrechte und Täuschungsversuch.