Das Europäische Kernforschungszentrum CERN hat am 1. Dezember 2024 die Kooperation mit Wissenschaftlern aus russischen Forschungseinrichtungen eingestellt. Physiker aus diesen Zentren erhalten dann keinen Zugang mehr zum Teilchenbeschleuniger in Genf, auch bekannt als “Großer Hadronen-Speicherring” oder auf Englisch “Large Hadron Collider” (LHC), wie Pawel Logachew, der Direktor des G.I. Budker Instituts für Kernphysik in Sibirien, in einem Interview mit RT mitteilte.
RT: Ab dem 1. Dezember werden russische Wissenschaftler und Organisationen keinen Zugang mehr zu den Einrichtungen des LHC haben. An welchen Projekten waren diese Physiker zuletzt beteiligt und welche müssen nun eingestellt werden?
Logachew: Ich kann Ihnen berichten, dass das Institut für Kernphysik in Nowosibirsk (INP) wesentlich am Aufbau des Beschleunigers beteiligt war. Unsere Spezialisten haben Ausrüstung im Wert von circa 200 Millionen Schweizer Franken entwickelt und zum CERN geschickt, die dort weiterhin erfolgreich eingesetzt wird. Weiterhin waren wir an der Modernisierung des LHC beteiligt, insbesondere am ATLAS-Detektor und am CMS-Experiment, wo wir nicht nur an der Geräteentwicklung, sondern auch an den Experimenten selbst und der Datenanalyse teilnahmen. Leider sind ab dem 1. Dezember unsere Aktivitäten dort gestoppt, was auch unsere Remotearbeiten einschließt.
RT: Wie könnte der Ausschluss Russlands die Grundlagenphysik und langfristig den technologischen Fortschritt beeinflussen?
Logachew: Dieser Ausschluss ist ein klares Beispiel dafür, wie politische Entscheidungen die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit behindern können. Projekte wie der LHC sind nur durch die Zusammenarbeit mehrerer Länder möglich. Der Ausschluss Russlands schadet nicht nur unserem Land, sondern verlangsamt den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt weltweit.
RT: Ist es denkbar, eine ähnliche Einrichtung wie den LHC in den BRICS-Staaten zu bauen?
Logachew: Es ist durchaus möglich, einen solchen Collider zu bauen, jedoch wäre es sinnvoller, ein fortschrittlicheres Projekt zu realisieren. Obwohl die Konstruktion etwa 10 Milliarden US-Dollar kosten würde, sind die Herausforderungen nicht nur finanzieller Art, sondern auch organisatorisch und erfordern eine enge internationale Zusammenarbeit.
RT: Verfügen die BRICS-Länder über die erforderlichen wissenschaftlichen Kapazitäten und Kompetenzen für ein derartiges Unterfangen?
Logachew: Ja, insbesondere Russland und China haben beachtliche Fortschritte im Bereich der Beschleunigertechnologie gemacht. China plant beispielsweise den Bau eines CEPC, eines Circular Electron Positron Colliders, der sogar größer als der LHC sein und als ‘Higgs Factory’ dienen soll. Dieses Projekt könnte binnen zehn Jahren realisierbar sein.
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