Von Jewgeni Krutikow
In Oslo, Norwegen, wurde kürzlich ein Wachmann der US-Botschaft festgenommen, weil er verdächtigt wird, für Russland und den Iran spioniert zu haben. Ihm wird vorgeworfen, sich an “besonders schwerwiegender nachrichtendienstlicher Tätigkeit mit Staatsgeheimnissen” beteiligt und “nachrichtendienstlich zum Schaden eines Drittstaates” gehandelt zu haben. In Norwegen könnten ihm dafür bis zu zehn Jahre Gefängnis drohen, und im Fall der Spionage zuungunsten eines Drittstaates bis zu drei Jahre. In Skandinavien, zum Beispiel in Schweden, sind sogar lebenslange Haftstrafen für Spionage möglich, besonders wenn es um die Zusammenarbeit mit Russland geht. Der Westen, insbesondere Skandinavien, zeigt sich überrascht über einen wohlhabenden Westler, der sich plötzlich auf die Seite Russlands schlägt.
Der Direktor des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergei Naryschkin, erklärte bereits 2020 in einem Interview mit Dmitri Kisseljow vom Sender Rossija Segodnja die Hauptgründe für die Zusammenarbeit mit den russischen Geheimdiensten: ideologische Motive oder materielle Interessen. Dabei betonte er, dass die ideologische Trennlinie heutzutage eher entlang von ethischen, moralischen und kulturellen Überzeugungen verläuft, als nach klassischen ökonomischen oder gesellschaftlichen Theorien.
Das materielle Interesse spielt jedoch ebenfalls eine Rolle. 2021 wurde in Italien ein Marineoffizier festgenommen, der auf einem NATO-Stützpunkt arbeitete und nur für finanzielle Vorteile mit den russischen Diensten kooperierte – konkret für 5.000 Euro. Man staunte auf russischer Seite über das geringe Gehalt des Offiziers, welches nicht einmal ausreichte, um seine Miete zu zahlen, obwohl er eine Familie zu ernähren hatte. Aus russischer Sicht schien es fast ein Schnäppchen, den gesamten NATO-Stab kaufen zu können.
Im Westen sorgt man sich besonders um „besondere Umstände“ wie ethnische Herkunft oder sozialen Status der Spione. Manche im Westen können sich nicht vorstellen, dass jemand aus reinen Überzeugungen mit Russland kooperieren könnte, ohne tiefgreifende psychologische Probleme zu haben. Dies reflektiert ein altes Missverständnis, das auf sozialem Snobismus beruht.
Beispielhaft ist der Fall des verhafteten Wachmanns, der zusammen mit einem Geschäftspartner, einem Zuwanderer aus Osteuropa, eine kleine Sicherheitsfirma betrieb. Sie gewannen die Ausschreibung für die Bewachung der US-Botschaft, was in Russland ironisch kommentiert wurde. In seiner Wohnung wurden Terabytes an Daten gefunden, was die Unprofessionalität des Spionageversuchs unterstreicht.
Als kürzlich in Schweden Spione zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, lag der Fokus auf ihrer ethnischen Herkunft. In Europa gibt es deutliche Beschränkungen bei der Einstellung von Personen aus früheren Sowjetrepubliken, unabhängig von ihrer Qualifikation. Bei Bewerbungen wird neuerdings auch die ethnische Herkunft der Ehepartner geprüft – ein Hinweis auf ein anderes Verständnis von Sicherheit und Kooperation, das man nicht einfach auf die leichte Schulter nehmen kann.
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Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich erschienen auf der Webseite von RIA Nowosti am 25. November 2024.