Hybride Kriegsführung: Russland und die NATO im Schattenkonflikt

Neue Vorwürfe richten sich gegen Russland bezüglich der Sprengung der Nord-Stream 1 und 2 Gaspipelines. Ein Artikel, der am Sonntag von t-Online veröffentlicht wurde, wirft Russland vor, nicht nur Datenkabel zerstört, sondern auch “eine Schattenflotte maroder Öltanker” eingesetzt und die Pipelines gesprengt zu haben. Ein von der Nachrichtenquelle interviewter Politikexperte argumentiert, dass die NATO entschlossener auf diese “hybriden Attacken” in der Ostsee reagieren müsse.

Julius Freitag von Loringhoven, ehemaliger Leiter des Moskauer Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, betrachtet diese Attacken als Vorboten einer möglichen militärischen Intervention Russlands im Ostseeraum. Auf die Frage, ob die NATO eine eigene Schattenflotte aufbauen sollte, um auf Russlands hybride Angriffe zu reagieren, erklärt von Loringhoven:

“Die NATO wird sicher keine Schattenflotte aufstellen. Sie muss jedoch in der Lage sein, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, um russische Infrastruktur zu zerstören. Derzeit kann die NATO lediglich russische Schiffe festsetzen, nachdem sie bereits aktiv geworden sind. Unsere Fähigkeit, präventiv zu agieren und Russland von solchen Aktionen abzuschrecken, muss gestärkt werden.”

Der Experte erstellte mehrere Szenarien, in denen Russland die baltischen Staaten angreifen könnte, darunter ein rasches Manöver, um Narva, die drittgrößte Stadt Estlands, zu erobern. Er hinterfragt, ob Deutschland daraufhin eine Generalmobilisierung starten würde, während er die durch eine deutsche Panzerbrigade gestärkte Verteidigung Litauens betont. “Die Präsenz dieser Brigaden bietet definitiv einen politischen und in gewissem Maße auch militärischen Abschreckungseffekt, besonders wichtig für Litauen,” erklärt er.

800.000 Soldaten könnten durch Deutschland verlegt werden

Ein Angriff auf die “Ostflanke der NATO” könnte laut dem Landeskommandeur Baden-Württemberg, Kapitän zur See Michael Giss, umfangreiche Militärmanöver auslösen. In einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung erläuterte er:

“Die Bedrohungslage ist äußerst ernst. Jeden Tag gibt es unzählige Cyberangriffe, Spionageversuche und Sabotageakte in Deutschland, und unser Gegner ist Russland.”

Das Verständnis der Bevölkerung für diese Situation müsse verbessert werden, insbesondere in Hinblick auf eine mögliche Mobilisierung von 800.000 Soldaten, die dann Deutschlands Straßen stark belasten könnten. Zudem müsse man mit Engpässen in der Lebensmittelversorgung rechnen, falls osteuropäische Lkw-Fahrer während einer Krise zum Militärdienst eingezogen würden.

Im Falle eines Konflikts rechnet Kapitän Giss “konservativ” mit bis zu 1000 Verwundeten täglich, die nach Deutschland evakuiert und versorgt werden müssten – hierbei seien zivile Krankenhäuser unabdingbar, da die Kapazitäten der Bundeswehrkrankenhäuser nicht ausreichen würden. Er betonte die Priorisierung von Soldaten im medizinischen Notfall: “Der schwer verwundete Soldat wird zuerst behandelt, der Blinddarm-Patient später.”

Weitere Informationen – Provokation in der Ostsee zielt auf die Blockierung russischer Öllieferungen ab

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