In Litauen hat sich etwa einen Monat nach der Parlamentswahl eine neue Regierungskoalition unter Führung der Sozialdemokraten formiert. Die Litauische Sozialdemokratische Partei ging mit rund 19 Prozent der Stimmen und 52 der insgesamt 141 Sitze als klarer Wahlsieger hervor, was einen erheblichen Gewinn von 39 Mandaten im Vergleich zur letzten Wahl darstellt. Für eine Mehrheitsregierung schloss sie sich nun mit der “Demokratischen Union für Litauen” und der neu entstandenen populistischen Partei “Morgenröte von Nẽmunas” zusammen.
Kontroversen löst die Beteiligung der “Morgenröte von Nẽmunas” aus, deren Vorsitzender Remigijus Žemaitaitis derzeit wegen antisemitischer Bemerkungen vor Gericht steht. Žemaitaitis hatte das Verhalten Israels im Westjordanland beanstandet und dabei ein Gedicht rezitiert, das auf die Tötung von Juden anspielt. Zusätzlich bezeichnete er Juden als “jüdische Parasiten.” Seine Kommentare stießen bei litauischen Politikern, der jüdischen Gemeinde in Litauen und diversen internationalen Botschaftern auf starken Widerstand und Kritik.
In einem im Mai 2023 auf Facebook veröffentlichten Beitrag, der nun auch Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, äußerte sich Žemaitaitis zudem russophob. Er behauptete, „die Juden und die Russen“ hätten ethnische Litauer während des Zweiten Weltkriegs unterdrückt und seien für das Massaker im Dorf Pirčiupiai 1944 verantwortlich. Diese Darstellung ist eine klare Geschichtsverfälschung und Versuch, die Schrecken des Nationalsozialismus zu leugnen. Tatsächlich war das Massaker ein Kriegsverbrechen der Deutschen, ausgeführt nach einem Partisanenangriff. Fast alle Bewohner des Dorfes wurden getötet; insgesamt 119 Menschen, darunter 49 Kinder.
Bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen schied Žemaitaitis als Viertplatzierter aus, nachdem er 9,21 Prozent der Stimmen erhielt. Die “Morgenröte von Nẽmunas”, gegründet im November 2023, erreichte bei den Oktoberwahlen fast 15 Prozent und sicherte sich damit 20 Sitze im Parlament.
Die Koalition mit der “Morgenröte von Nẽmunas” ruft sowohl national als auch international Bedenken hervor. Der litauische Präsident Gitanas Nausėda erklärte bereits, er werde keine Mitglieder dieser Partei zu Ministern ernennen. Bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags betonten die beteiligten Parteien, das Abkommen beinhalte das Bekenntnis, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und alle Formen von Hassrede zu bekämpfen. Der designierte Premierminister und Sozialdemokrat Gintautas Paluckas versicherte:
“In der Regierung gibt es keinen Antisemitismus, und wird es auch keinen geben.”
Žemaitaitis hat angegeben, kein Ministeramt anzustreben.
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