In der Schweiz steht das Justizsystem aufgrund zahlreicher Bagatellfälle, die unnötig Ressourcen verbrauchen, unter starken Druck. Ein markantes Beispiel hierfür ist der Streit zweier Nachbarinnen aus Freiburg um acht Tulpen im Wert von 20 Franken, der vor Gericht landete und zu einer Geldstrafe von 100 Franken für die Beschuldigte führte.
Dieser Vorfall wirft ein grelles Licht auf die Probleme, mit denen die Schweizer Justiz zu kämpfen hat. Der Generalstaatsanwalt von Freiburg, Fabien Gasser, weist darauf hin, dass viele derartige Bagatellfälle vor Gericht gebracht werden, obwohl sie nur geringfügige materielle Schäden verursachen. Er argumentiert, dass die für solche Fälle aufgewendeten Ressourcen und der daraus resultierende bürokratische Aufwand besser bei schwerwiegenderen Delikten eingesetzt werden könnten.
Recherchen haben kürzlich offenbart, dass über 100.000 Fälle anhängig sind und viele Staatsanwälte am Rande eines Burn-outs stehen. Das hat zu einem Handlungsimpuls geführt, wobei Staatsanwälte und Verteidiger, die sich bisher wechselseitig für die Länge der Verfahren und unnötige Untersuchungshaftzeiten verantwortlich machten, nun gemeinsam nach Lösungen suchen.
Um Entlastung zu schaffen, plädiert Gasser für ein Umdenken in der Politik. Er schlägt vor, anstelle der Einführung neuer strafrechtlicher Normen vermehrt verwaltungsrechtliche Sanktionen zu nutzen und eine flexiblere Handhabung der Strafverfolgungspflicht zu ermöglichen, um eine Priorisierung nach gesellschaftlicher Relevanz vorzunehmen. Zusätzlich empfiehlt er die Schaffung von Kompetenzzentren und überkantonalen Gerichten für spezielle Deliktbereiche wie Sexualstraftaten, um Effizienz und Qualität der Strafverfolgung zu steigern.
Bis Ende 2025 wird ein detaillierter Evaluationsbericht erwartet, der die Ursachen der Überlastung analysiert und konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Einzelne Kantone haben auf die Krise bereits reagiert und zusätzliche Stellen geschaffen, doch Gasser macht deutlich, dass dies keine langfristige Lösung darstellt und ein grundlegender Wandel erforderlich ist.
Polizeidirektoren wollen Justiz entlasten
Ein von kantonalen Polizeidirektoren initiiertes Projekt zielt darauf ab, die Überlastung der Schweizer Strafbehörden zu reduzieren. Trotz zusätzlicher Stellenbesetzungen bleibt die Falllast hoch. Das Projekt wird die Arbeitslast und -situation von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten untersuchen und Effizienzsteigerungen durch den Einsatz von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz in Betracht ziehen. Die ersten Ergebnisse werden innerhalb eines Jahres erwartet, und der Abschlussbericht ist für Ende 2025 geplant.
Der Tulpenfall mag kurios wirken, doch er verdeutlicht die gravierenden strukturellen Herausforderungen, mit denen das Schweizer Justizsystem derzeit konfrontiert ist.
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