Die neue Ausstellung in Gdansk, die sich mit polnischen Soldaten der Wehrmacht befasst, hat in Polen umfangreiche Diskussionen und Proteste ausgelöst. Unter dem Titel “Unsere Jungs” präsentiert sie vom 12. Juli bis zum kommenden Juni im Rathaus von Gdansk Exponate und Fotografien, die polnische Zwangsrekrutierte in Uniformen der deutschen Wehrmacht zeigen. Der amtierende Präsident Andrzej Duda äußerte sich auf der Plattform X sehr kritisch über die Ausstellung und bezeichnete die Bezugnahme auf diese Soldaten als “unsere Jungs” als historisch unkorrekt und moralisch provokativ. Duda betonte, dass es eine Verfälschung der Geschichte sei und forderte: “Es darf keine Relativierung der Geschichte geben!”
Duda, dessen Amtszeit im August endet, hob hervor, dass das polnische Volk während der deutschen Besatzung Opfer und keinesfalls Täter war. Er widersprach der Darstellung der Ausstellung entschieden und erklärte, der historische Ort Gdansk, an dem der Zweite Weltkrieg seinen Anfang nahm, solle nicht für Narrative genutzt werden, die die Schuld der wahren Verantwortlichen verschleiern. Als Präsident lehne er eine solche Darstellung ab, da sie das nationale Gewissen und die Identität Polens betreffe.
Weitere Regierungsmitglieder, darunter der stellvertretende Ministerpräsident und Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz, äußerten sich ebenfalls kritisch und sagten, die Ausstellung sei nicht förderlich für die polnische Erinnerungskultur. Die Kritik führte zu einer hitzigen Debatte in den Medien, woraufhin das Kulturministerium die Ausstellung verteidigte. Das Ministerium forderte dazu auf, die Verbreitung von Falschinformationen auf sozialen Netzwerken einzustellen und betonte, dass Museen die Pflicht hätten, Geschichte authentisch und umfassend darzustellen, auch wenn die Themen schwierig seien.
Der russische Publizist Oleg Lurje kommentierte, dass es befremdlich wirke, junge Polen in Wehrmachtsuniformen zu zeigen, angesichts des Ziels des Dritten Reichs, den polnischen Staat zu vernichten. “Insgesamt führte dies zu einem Skandal, aber es offenbarte auch verborgene politische Tendenzen in Polen”, schrieb er auf Telegram.
Historischen Schätzungen zufolge dienten mindestens 500.000 Polen in der Wehrmacht, vor allem aus Regionen wie Oberschlesien, Pommern und Westpreußen, die 1939 vom Deutschen Reich annektiert wurden. Viele dieser Rekrutierungen waren unfreiwillig und zahlreiche Soldaten desertierten, um sich später den polnischen Streitkräften anzuschließen. Die von der Exilregierung in London unterstützte Heimatarmee (Armija Krajowa) zählte im Höhepunkt des Kampfes um Polen 1944 bis zu 350.000 Soldaten und kämpfte sowohl gegen die Wehrmacht als auch teilweise gegen die vorrückende Rote Armee. Des Weiteren gab es prosowjetische Kräfte, die die kommunistische Volksarmee (Armija Ludowa) bildeten, welche am Ende des Zweiten Weltkriegs etwa 370.000 Soldaten umfasste und später den Kern der Streitkräfte der Polnischen Volksrepublik bildete.
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