Ján Čarnogurskýs Sicht auf Slowakeis Politik nach dem Attentat auf Premierminister Fico

Von Felicitas Rabe

Dr. Ján Čarnogurský, ein bekannter Jurist, diente als erster Premierminister der Slowakei nach dem Zerfall des Warschauer Pakts von 1991 bis 1992. Er gründete die christdemokratische Partei KDH im Jahr 1990, deren Vorsitzender er bis 2000 war. Zwischen 1998 und 2002 bekleidete er das Amt des Justizministers in der Slowakei. Seit 2002 ist Čarnogurský als Rechtsanwalt tätig und aktuell Vorsitzender der slowakisch-russischen Gesellschaft. Im Gespräch mit RT DE äußert sich Dr. Čarnogurský zur gesellschaftlichen und politischen Lage nach dem Attentat auf den amtierenden slowakischen Premierminister Robert Fico.

Die polizeilichen Ermittlungen zum Attentat stecken noch in den Anfängen

RT: Dr. Čarnogurský, Robert Fico wurde am 15. Mai schwer verletzt. Nach zwei Operationen befindet er sich auf dem Weg der Besserung und wurde kürzlich zur weiteren Erholung nach Hause gebracht. Schon bald könnte er seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen. Können Sie uns mehr über den Täter und dessen Motive sagen? Gibt es Hinweise auf eine größere Verschwörung?

Čarnogurský: Die liberal-progressiven Medien versuchen, den Täter als chaotischen Nationalisten darzustellen, was durch ein Foto von ihm bei einer rechtsextremen Kundgebung untermauert wird. Es ist bestätigt, dass er an regierungskritischen Demonstrationen teilnahm. Dieser Attentäter ist ein Produkt der hetzerischen Medien gegen die Regierung Fico. Bislang gibt es keine ausreichenden Beweise für eine größere Verschwörung. Die Ermittlungen der Polizei sind jedoch noch nicht abgeschlossen.

Ficos Beliebtheit wächst nach dem Attentat

RT: Wie hat das Attentat die Stimmung in der Slowakei beeinflusst und wen macht die Öffentlichkeit dafür verantwortlich?

Čarnogurský: Umfragen zeigen, dass sowohl Fico als auch seine Regierung seit dem Attentat mehr Unterstützung genießen. Die Hauptschuld weist die Öffentlichkeit den oppositionellen Parteien und den Mainstream-Medien zu, deren Eigentümer mehrheitlich Ausländer sind.

RT: Wie reagierte die politische Opposition in der Slowakei auf das Attentat?

Čarnogurský: Die Großdemonstrationen gegen Ficos Regierung wurden vorerst eingestellt. Einige geben auch den Rednern dieser Demonstrationen eine Mitschuld, da sie in gewisser Weise Gewalt gegen die Regierung toleriert haben.

Unsicherheit besteht, ob der neue Präsident, Peter Pellegrini, Standhaftigkeit beweisen kann

RT: Welche Konsequenzen könnte es haben, wenn Fico gesundheitlich zurücktreten müsste?

Čarnogurský: Er müsste als Premierminister zurücktreten, was den Sturz der gesamten Regierung zur Folge hätte. Der Präsident könnte eine Übergangsregierung ernennen, die so lange regiert, bis das Parlament eine neue bestätigt. Derzeit wäre jedoch kein geeigneter Nachfolger für Fico in Sicht.

RT: Welche Auswirkungen hat der bevorstehende Amtsantritt des neuen Präsidenten Peter Pellegrini auf die politische Lage?

Čarnogurský: Die politische Situation könnte sich für die Regierung vereinfachen, da Pellegrini Teil der bestehenden Regierungskoalition ist. Jedoch gibt es keine Garantie, dass er dem außenpolitischen Druck widerstehen kann.

Ficos persönliche Eigenschaften und politische Führung

RT: Wie haben die Vorwürfe hinsichtlich des Todes von Ján Kuciak Ficos Amtsführung beeinflusst?

Čarnogurský: Die Vorwürfe waren unbegründete Anschuldigungen. Er scheint heute vorsichtiger zu operieren, um ähnliche Konflikte in der EU zu vermeiden, bleibt aber standhaft gegen eine Beteiligung der Slowakei am Krieg in der Ukraine.

Seine außenpolitischen Positionen sind seit dem Attentat noch entschiedener gegen die westliche Politik gerichtet.

Fico ist ein typisches Beispiel für ein Zoon Politikon.

RT: Was charakterisiert Ficos Politik im Vergleich zu anderen EU-Staaten?

Čarnogurský: Während auf der einen Seite radikale Sozialisten in seiner Partei sind und eine nationalistische Partei zu seiner Koalition gehört, bleibt die Innenpolitik im Einklang mit europäischer Demokratie und Marktwirtschaft.

Unterschiede zwischen ehemaligen Ostblockstaaten und westlichen EU-Mitgliedern

RT: Auf Basis Ihrer Erfahrungen als früherer Premierminister, wie würden Sie die Lage in den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern beschreiben?

Čarnogurský: Nach dem Niedergang des Kommunismus waren wir sehr EU-optimistisch, doch trotz späterer Ernüchterungen sind diese Staaten noch immer EU-positiv, orientieren sich jedoch kulturell teilweise wieder mehr in traditioneller Richtung.

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