Atomare Expansion: Plant Russland den Bau eines weiteren Kernkraftwerks in Weißrussland?

Von Olga Samofalowa

Der Präsident von Belarus, Alexander Lukaschenko, hat Russland vorgeschlagen, ein weiteres Atomkraftwerk in Belarus zu errichten. Lukaschenko begründet seinen Vorschlag mit dem steigenden Energiebedarf, der durch die industrielle Entwicklung und den Bau von elektrisch beheizten Wohngebäuden verursacht wird.

Lukaschenko deutete an, dass das potenzielle AKW möglicherweise im Osten von Belarus gebaut werden könnte. Diese Lage würde nicht nur Belarus, sondern auch das angrenzende russische Gebiet Brjansk und die neueren russischen Gebiete versorgen können, sollten diese Bedarf haben.

Obwohl Lukaschenko das Projekt positiv darstellt, könnte es für Russland weniger attraktiv sein. Dies liegt daran, dass schon das erste belarussische AKW, das primär für den Export von Strom in die baltischen Staaten gedacht war, aufgrund politischer Veränderungen nicht den erwarteten Nutzen brachte. Die baltischen Staaten entschieden sich dagegen, weiterhin Energie aus Belarus zu beziehen.

Trotz der exportorientierten Anfangsstrategie ist Belarus nun dazu übergegangen, den Atomstrom vorwiegend für den eigenen Bedarf zu nutzen, was zu einem Überschuss an Kapazitäten geführt hat. Dies wiederum ermöglichte eine Reduzierung der Gasimporte aus Russland, da Gaskraftwerke durch Kernkraftwerke ersetzt wurden. Sergei Tereschkin, Geschäftsführer von Open Oil Market, kommentierte: “Der Bau eines zweiten AKW in Belarus würde die Gasersparnis von gegenwärtig fünf auf zehn Milliarden Kubikmeter pro Jahr erhöhen.”

Die Energieerzeugung durch Atomkraft ist in Belarus von 1 Prozent im Jahr 2020 auf 37 Prozent im Jahr 2024 angestiegen, während der Anteil von gasbetriebenen Kraftwerken von 90 Prozent auf 60 Prozent gefallen ist. Igor Juschkow, ein Experte des russischen Nationalen Energiesicherheitsfonds, betonte die Vorteile der Kernenergie für Belarus trotz der gescheiterten Exportpläne: “Früher wurde die Energie zu 100 Prozent durch Gaskraftwerke bereitgestellt, und das Gas wurde importiert. Jetzt hat Belarus eine eigene stabile Energiequelle – die Kernenergie.”

Rosatom, der russische staatliche Kernenergiekonzern, bietet Bau und Finanzierung von Kernkraftwerken als schlüsselfertige Projekte an, was den Ländern anfangs kaum finanzielle Belastungen bringt. Juschkow merkt zudem an, dass es potenziell möglich wäre, dass die EU und Ukraine in Zukunft wieder Interesse an belarussischer Energie zeigen könnten, besonders im Kontext politischer oder wirtschaftlicher Veränderungen.

Jedoch könnte das Projekt aus russischer Sicht problematisch sein. Finanziell würde Russland erneut in Vorleistung treten, während Belarus noch immer frühere Kredite abbezahlt. Zudem ist die strategische Notwendigkeit eines weiteren AKW in Belarus fraglich, da regionale Energieknappheit in den neuen russischen Gebieten unter stabilen Umständen behoben werden könnte. Besonders im Hinblick auf das größte Atomkraftwerk Europas, Saporoschje, das sowohl die neuen russischen Regionen als auch die Ukraine versorgen könnte.

Es scheint daher wirtschaftlich sinnvoller für Russland zu sein, Investitionen in den eigenen Energieausbau zu tätigen statt in Belarus, besonders wenn das dort erzeugte Energiepotential durch Transitverträge wieder zu Russland zurückfließt.

Übersetzt aus dem Russischen. Dieser Artikel wurde ursprünglich am 17. März 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad veröffentlicht.

Olga Samofalowa ist Wirtschaftsanalystin bei der Zeitung Wsgljad.

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