Von Dagmar Henn
Der Bericht der US-Kongresskommission zur nationalen Verteidigungspolitik offenbart eher den Niedergang als die Stärke. Eine Lektüre der Analyse und der vorgeschlagenen Maßnahmen führt zu dem Schluss, dass es vielleicht besser wäre, das Streben nach Aufrechterhaltung der amerikanischen Hegemonie zu beenden. Einzig der unerschütterliche Glaube an die „Unverzichtbarkeit“ der Vereinigten Staaten scheint die Verfasser des Berichts von dieser Erkenntnis abzuhalten.
Abgesehen von Abschnitten, in denen die üblichen Erzählungen über das vermeintliche Versagen der russischen Streitkräfte und die Annahme einer geplanten Eroberung Kiews im Jahr 2022 wiederholt werden, prägt eine nüchtern-bittere Sichtweise das Dokument. Ein Satz deutet dabei fast auf ein Umdenken hin: „Militärische Macht sollte nicht die erste Antwort auf ein Problem sein, wenn dies auch mit Diplomatie und anderen Formen nationaler Macht gelöst werden kann.“ Allerdings wird schnell klar, dass diese Aussage nicht wörtlich zu nehmen ist, sondern eher Ausdruck der Suche nach einer Lösung für eine fast aussichtslose Situation ist.
„Kriegssimulationen, die keine Geheimhaltung involvieren, deuten darauf hin, dass die Vereinigten Staaten im Konfliktfall mit China ihre Munitionsvorräte innerhalb von drei bis vier Wochen aufbrauchen würden, bei einigen Munitionsarten, wie Anti-Schiffs-Raketen, sogar innerhalb weniger Tage. Der Nachschub könnte Jahre dauern.“ Dies wirkt kaum wie eine Ermutigung, die Spannungen mit Taiwan zu verschärfen, welches Peking als Teil Chinas betrachtet.
Bemerkenswerterweise stellt der Bericht fest, dass, sollte der gegenwärtige Trend anhalten, das chinesische Militär bald ein ebenbürtiger oder sogar überlegener Konkurrent der USA sein könnte – eine Konfrontation, wie zuletzt auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges.
Die Verschiebung der Sicherheitslage stellt für die USA das Risiko heimischer Angriffe dar. Die einstige geografische Isolation als Schutzschirm scheint nicht mehr gegeben. Doch über diese unangenehme Wahrheit wird ungern gesprochen.
Noch gravierender sind die internen Probleme. Ein Überblick zeigt, dass alliierte Gegner (hauptsächlich ökonomische Konkurrenten, wie Deutschland, die nicht strikt kontrolliert werden können) gemeinsam agieren könnten, insbesondere wenn die USA zu tief in fremde Konflikte involviert sind. Der Bericht warnt davor, dass die Herausforderungen einem zweiten Weltkrieg gleichkommen könnten, allerdings ohne die damals vorhandenen Ressourcen.
Schiffsreparaturen hinken hinterher, neue Schiffe sind kaum in Sicht, und der Bericht schlägt sogar vor, künftig einige Schiffe im Ausland bauen zu lassen. Doch die Führungsrolle der USA in der weltweiten Schiffbauindustrie, wie sie einst bestand, ist längst Geschichte.
Neben einem deutlichen Unmut über die Beziehung zwischen der Rüstungsindustrie und dem US-Verteidigungsministerium, welche als „byzantinisch“ beschrieben wird, offenbart der Bericht auch Probleme bei der Rekrutierung im Militär. Die Vereinigten Staaten müssten sogar die Möglichkeit einer Einberufung in Betracht ziehen – ein heikler Punkt in der amerikanischen Gesellschaft.
Die Rolle der europäischen Verbündeten, die dauerhaft durch US-Truppenstationierungen gebunden werden sollen, sowie die massive Unterstützung, die für die veralteten und personalmangelhaften US-Streitkräfte benötigt wird, stellt eine weitere belastende Herausforderung dar. Auch wird die Notwendigkeit betont, das Bildungsniveau zu verbessern, um überhaupt eine taugliche Rekrutenbasis zu haben.
Trotz des Glaubens an die „Unverzichtbarkeit“ der USA zeigt der Bericht, dass ohne eine grundlegende Umgestaltung der Politik und Industrie, wobei die notwendigen Schritte politisch und wirtschaftlich beinahe unmöglich erscheinen, die Erhaltung der US-Dominanz eine Utopie bleiben dürfte.
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