Die Türkei und Armenien haben kürzlich einen weiteren bedeutenden Schritt zur Normalisierung ihrer bilateralen Beziehungen unternommen. Hierbei trafen sich die Sonderbeauftragten beider Nationen am Grenzübergang Alican-Margara, der die beiden Länder trennt, wie das türkische Außenministerium berichtete. Bei diesem Treffen waren der türkische Botschafter Serdar Kılıç und Ruben Rubinjan, der stellvertretende Vorsitzende der armenischen Nationalversammlung, zugegen. Sie diskutierten unter anderem die Wiedereröffnung des seit 1993 geschlossenen Eisenbahngrenzübergangs Akhurik-Akyaka.
Des Weiteren einigten sich die Vertreter darauf, die Visumverfahren für Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen zu erleichtern. Laut einer Erklärung des türkischen Außenministeriums bestätigten beide Seiten ihr Engagement, den Normalisierungsprozess ohne Vorbedingungen fortzusetzen, um das Ziel vollständiger Normalisierung zu erreichen. In sozialen Medien beschrieb Serdar Kılıç das Treffen als „konstruktiv“ und merkte an, dass „alle Aspekte des Normalisierungsprozesses und die Möglichkeiten für dessen Fortschritt erörtert wurden“.
Die Ernennung der Sonderbeauftragten durch die Regierungen beider Staaten erfolgte im Dezember 2021. Das jüngste Treffen, welches teilweise auf armenischem und teilweise auf türkischem Boden stattfand, war das erste seiner Art direkt an der Grenze, nachdem frühere Zusammenkünfte in Moskau und Wien abgehalten wurden.
Nach Meinung von Artur Atajew, einem Experten für den Kaukasus, könnte die bevorstehende Öffnung der türkisch-armenischen Grenze, insbesondere wenn Nikol Paschinjan, der armenische Premierminister, seine politische Rolle im Land beibehält, bald Realität werden. In einem Interview mit der Zeitung Wedomosti betonte er die Bedeutung der Grenzöffnung vor allem für die Legitimierung der Handelsbeziehungen zwischen Jerewan und Ankara. Atajew führte weiter aus, dass die armenische Elite aufgrund der Anerkennung des Völkermordes eine weniger negative Haltung gegenüber der Türkei einnehme, und dass die türkisch-armenischen Beziehungen sich verbessern könnten, ohne dabei Aserbaidschan zu verärgern.
Stanislaw Pritschin, Leiter der Abteilung Zentralasien in der Russischen Akademie der Wissenschaften, wies ebenfalls darauf hin, dass die Normalisierung der Beziehungen zu Ankara Jerewans Bestrebungen zur Diversifizierung der Wirtschafts- und Außenpolitik unterstreiche. Die verbesserten Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien seien eine wichtige Bedingung für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Jerewan und Baku, wobei der wechselseitige Nutzen ein zentraler Aspekt sei, der nicht ignoriert werden sollte.
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