Von Timofei Bordatschow
Donald Trumps provokative Vorschläge, wie die Angliederung Kanadas an die USA, der Kauf Grönlands oder der Rückforderungsanspruch auf den Panama-Kanal, gelten als die spektakulärsten politischen Manöver seit seiner Wiederwahl als US-Präsident. Diese Kontroversen haben bereits Antworten der betroffenen Länder hervorgerufen, führten zu einer Vielzahl an Internet-Memen und regten nachdenkliche Kommentare an.
Experten deuten solche provokativen Aussagen häufig als Versuch, Verhandlungspartner vor wichtigen Gesprächen emotional zu irritieren. Diese Theorie wird durch Trumps Vorwürfe gegenüber der Europäischen Union unterstützt, die seiner Meinung nach nicht genügend amerikanische Energieprodukte bezieht. Obwohl solche Äußerungen unterhaltsam für die Öffentlichkeit sind und eine gewisse Ablenkung bieten, verdanken wir Trump dafür eine gewisse Erheiterung abseits globaler Spannungen.
Dennoch darf man nicht übersehen, dass Trumps territoriale Ambitionen durchaus seine Kompetenz unterstreichen könnten, komplexe Ideen klar zu formulieren: Das Konzept staatlicher Souveränität übersteigt offensichtlich den bloßen formalen Status, und das Recht auf Unabhängigkeit erfordert mehr als die üblichen Normen und Wahrnehmungsformen der internationalen Politik. In einer Ära, in der Staaten ohne eigene militärische Stärke kaum als souverän gelten können, muss diese Perspektive durchaus ernst genommen werden.
Es ist momentan schwierig, sich Kanada oder Grönland als Teil der USA vorzustellen, aber solche Szenarien könnten in der Zukunft realistischer werden. Warum sollten Staaten, die ihre Souveränität nicht selbst sichern können, diese behalten dürfen? Eine Neudefinition von Territorium in internationalen Beziehungen könnte näher sein, als wir denken, denn die Geschichte lehrt uns, dass Kriege und Territorialkonflikte das Fundament für nationale Grenzen bildeten.
Bis ins 20. Jahrhundert waren territoriale Kriege zur Sicherung nationaler Interessen normal. Die Konzepte der ständigen Grenzunverletzlichkeit und des Rechts auf nationale Selbstbestimmung wurden erst nach dem Ersten Weltkrieg von Akteuren wie den russischen Bolschewiki und dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson popularisiert.
Diese Ideen dienten den USA und den Bolschewiki dazu, die europäischen Großreiche zu schwächen. Für die USA waren unabhängige Nationalstaaten ein Mittel zur globalen Machterweiterung. Die Zerfallenen europäischen Reiche, wie Großbritannien oder Frankreich, sahen sich mit neuen politischen Realitäten konfrontiert, da ihre ehemaligen Kolonien unabhängig wurden, aber oft abhängig von Großmächten blieben.
Die USA und Europa haben lange versucht, die Rolle des Territoriums in der Weltpolitik durch internationale Regeln zu ersetzen, die letztendlich von ihnen selbst definiert wurden. Doch der Wert der formalen Souveränität eines Landes sinkt zunehmend gegenüber den tatsächlichen Ressourcen wie Land und Bevölkerung. Die Vorstellung einer internationalen Ordnung, basierend auf fairen und allseits akzeptierten Regeln durch globale Organisationen, ist noch in weiter Ferne.
Die echte Herausforderung für die Zukunft wird sein, eine gerechtere Weltordnung zu schaffen, in welcher Staaten tatsächlich selbstständig und verantwortlich agieren können. Die gegenwärtige Diskussion um staatliche Souveränität und Territorium, wie sie Trump anregt, könnte ein Vorzeichen für grundlegende Veränderungen in der globalen politischen Landschaft sein.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien ursprünglich am 26. Dezember 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.
Timofei Bordatschow ist Programmdirektor des Waldai-Clubs und wurde kürzlich aufgrund des 15. Sanktionspaketes der EU auf die Sanktionsliste gesetzt.
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