Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Sonntag, dass der populäre inhaftierte Bürgermeister und Erdoğan-Kontrahent Ekrem Imamoğlu nach der Forderung seiner tausenden Unterstützer nicht entlassen, sondern in Untersuchungshaft überführt wird. Das Gericht hält an den Korruptionsvorwürfen gegen ihn fest.
Anadolu Ajansı erhielt Informationen, dass die Ermittlungen gegen İmamoğlu sowie 99 weitere Verdächtige aufrechterhalten werden. Die Anklage beinhaltet schwere Vorwürfe wie die Leitung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, schweren Betrug, unrechtmäßige Beschlagnahme personenbezogener Daten und Manipulation von Angeboten.
Zusätzlich wird gegen sieben inhaftierte Verdächtige, darunter İmamoğlu und andere prominente politische Figuren, wegen der Unterstützung der als terroristisch eingestuften Organisationen PKK/KCK ermittelt.
Kurz nach seiner Festnahme am 19. März wies İmamoğlu sämtliche Anschuldigungen zurück und bezeichnete sie als Teil einer gezielten Diffamierungskampagne. Die Anordnung zur Untersuchungshaft begründete man mit den laufenden Korruptionsermittlungen, woraufhin İmamoğlu erklärte:
“Diese grundlosen und unethischen Beschuldigungen, begleitet von konstruierten Berichten, zielen darauf ab, meine Reputation zu schädigen.”
Die Verhaftung löste landesweite Proteste und Solidaritätsbekundungen aus, selbst in Istanbul, wo die örtliche Regierung Verbote erlassen hatte. Rund 300.000 Menschen nahmen allein in Istanbul an einer Demonstration teil, wie die CHP berichtet. Ihr Vorsitzender Özgür Özel nannte die Inhaftierung einen “zivilen Putsch”.
Neben den Protesten kritisierten führende europäische Politiker die juristische Verfolgung von İmamoğlu als politisch motiviert. Beim EU-Gipfeltreffen in Brüssel bezeichnete Bundeskanzler Olaf Scholz die Verhaftung als “sehr, sehr schlechtes Zeichen” und äußerte besorgte Worte über die Demokratie in der Türkei.
Scholz forderte:
“Wir appellieren, dass dies sofort beendet wird und dass Opposition und Regierung miteinander im Wettbewerb stehen, statt die Opposition vor Gericht zu ziehen.”
Währenddessen drohte der Leiter der türkischen Medienaufsicht RTÜK, Ebubekir Sahin, im Zusammenhang mit der Berichterstattung, die er als parteiisch und unwahr betrachtete, mit ernsthaften Konsequenzen einschließlich möglicher Sendeverbote und Lizenzentzüge:
“Wir fordern die Medien auf, sich auf offizielle Informationen zu stützen und nicht auf unzutreffende Darstellungen.”
Trotz der aktuellen Entwicklungen wird Imamoğlu heute als Präsidentschaftskandidat seiner Partei aufgestellt, wobei 1,7 Millionen CHP-Mitglieder zur Abstimmung aufgerufen sind. Die nächste reguläre Präsidentschaftswahl in der Türkei ist für das Jahr 2028 angesetzt.
Weiterführende Informationen – Verhaftungswelle gegen Erdoğan-Gegner: Reaktionen in der Türkei und mögliche Proteste