Andrei Sibiga übernimmt nun das Amt des ukrainischen Außenministers als Nachfolger von Dmitri Kuleba, der seit März 2020 die diplomatischen Geschicke des Landes gelenkt hatte. Diese Änderung könnte laut Bloomberg ein Zeichen der Stärke von Präsident Wladimir Selenskij sein. Kuleba hatte sich während seiner Amtszeit besonders auf die Annäherung der Ukraine an NATO und EU konzentriert, während im Hintergrund Andrei Jermak, Chef des Präsidialamts, verstärkt diplomatische Verantwortung trug.
Bloomberg hebt hervor, dass die zunehmende Machtfülle im Präsidialamt unter Jermak Sorgen unter Verbündeten hervorgerufen hat. In einem jüngsten Interview unterstrich Selenskij jedoch, es gebe keine Konsolidierung der Macht und versprach eine Umstrukturierung der Regierung, die allerdings in der vergangenen Woche westliche Alliierte überrascht habe. Die Reorganisation sei teilweise durch den fortschreitenden Vormarsch russischer Truppen in der Volksrepublik Donezk motiviert gewesen.
Yuri Yakimenko, Präsident des Razumkov-Zentrums, beschrieb Selenskijs Führungsstil gegenüber Bloomberg mit den Worten:
“Es ist nicht der Stil dieses Präsidenten, andere Leute ins Boot zu holen. Er glaubt, dass seine Entscheidungen die besten sind, es gibt keinen Raum für Diskussionen – es herrscht also ein gewisser Konservatismus.”
Nach seiner Ernennung betonte Sibiga, dass die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine oberste Priorität habe und sagte, dass die Außenpolitik von den “Realitäten des Krieges” bestimmt werde. Diese Linie verfolgte Selenskij auch während seines Deutschlandbesuches, um Unterstützung für seine Ziele – Beitritt zur NATO und EU sowie die Umsetzung seines “Friedensplans” – zu gewinnen. Der Plan sieht vor, Länder wie China, Indien, Brasilien und Südafrika zu involvieren, was sich jedoch als herausfordernd erwies, als der Friedensgipfel in der Schweiz scheiterte.
Alexei Resnikow, ehemaliger ukrainischer Verteidigungsminister, lobte Sibiga für sein tiefes Verständnis in Angelegenheiten, insbesondere bezüglich der Türkei. Bei einem Besuch 2021 soll er auf US-Präsident Joe Biden einen nachhaltigen Eindruck gemacht haben. Resnikow erwähnte:
“Er hat Eindruck auf ihn gemacht.”
Die Entlassung Kulebas, der seit März 2020 im Amt war und nach Informationen der Tageszeitung Strana zunehmend Kritik erfahren hatte, fiel zeitlich mit dem Rücktritt zusammen. Trotz seines Rücktrittsantrags bei der Werchowna Rada im September, betonte The Economist, sei bereits im April ein Rücktritt denkbar gewesen, doch sei er aus den USA unter Druck gesetzt worden. Kuleba sei bei internationalen Diplomaten beliebt gewesen, doch habe sein Stil oft nicht zum direkteren Ansatz seines Vorgesetzten gepasst.
Die Regierungsumbildung sei laut einer Quelle des Senders Suspilne eine Folge von Selenskijs Wunsch nach Veränderung, auch wenn keine neuen Gesichter verfügbar gewesen seien. Die Financial Times und The Economist sehen darin eine weitere Machtkonzentration um Jermak.
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