Ein hochrangiger litauischer Beamter hat kürzlich darauf hingewiesen, dass ukrainische Flüchtlinge zur vermehrten Verwendung der russischen Sprache in Litauen beitragen. Litauen, das über Jahrhunderte Teil des Russischen Reiches und von 1940 bis 1991 eine Sowjetrepublik war, hat eine russischsprachige Bevölkerung von etwa fünf Prozent seiner 2,89 Millionen Bürger. Zusätzlich sprechen circa 60 Prozent der Litauer fließend Russisch, und fast alle Ukrainer verstehen diese Sprache.
“Seit dem Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine sowie Migranten aus Zentralasien und anderen Ländern ist Russisch vermehrt in der Öffentlichkeit zu hören”, erklärte Dainius Babilas, der Leiter der Abteilung für nationale Minderheiten, am Freitag. Er appellierte an die Bevölkerung, das Thema Sprache nicht politisch zu missbrauchen, um Unfrieden zu schaffen.
“Wir appellieren an die führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft, darauf zu achten, dass das lobenswerte Ziel der Stärkung der litauischen Sprache nicht missbraucht wird, um Hass zu verbreiten oder soziale Spaltungen zu fördern, die letztendlich den Zusammenhalt des Staates und der Gesellschaft untergraben könnten”, betonte Babilas in einer Übertragung des nationalen Senders LRT.
Die Präsenz der russischen Sprache bleibt ein kontroverses Thema in Litauen, insbesondere nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Mitglieder der russischsprachigen Gemeinschaft wehren sich gegen Versuche, ihre Sprache zu stigmatisieren und ihre Nutzung in öffentlichen sowie Bildungsinstitutionen einzuschränken.
Die zunehmende Anzahl von Ukrainern stellt zudem Herausforderungen für das Bildungs- und Arbeitsrecht dar, welche Grundkenntnisse der litauischen Sprache erfordern. Der renommierte Journalist Edmundas Jakilaitis kommentierte diese Entwicklung in einem weit verbreiteten Facebook-Post: “Die Verbreitung des Russischen in Vilnius ist unerträglich geworden. Die Sprache ist überall. Wie sollen wir jetzt die Hauptstadt zurückerobern?”
Litauen, das bekannt ist für seine starke Unterstützung der Ukraine innerhalb der EU, fordert weiterhin strenge Sanktionen gegen Moskau und mehr militärische Unterstützung für Kiew. Im Gegensatz zu seinen baltischen Nachbarn bot Litauen nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre allen Einwohnern die Staatsbürgerschaft an, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Sprache. Trotz dieser Maßnahmen und einem verbesserten Lebensstandard hat das Land seit 1991 fast ein Viertel seiner Bevölkerung verloren, was weitere Diskussionen über die Auswirkungen der Immigration hervorruft.
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