Von Kirill Awerjanow
Radosław Sikorski, der polnische Außenminister, äußerte in einem Interview, dass Polen gezwungen sei, russische Raketen abzuschießen, bevor diese den polnischen Luftraum erreichen. Er appellierte an andere an die Ukraine grenzende Staaten, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.
Sikorski argumentierte, Polen solle diese Entscheidung unabhängig von der NATO treffen, um die Sicherheit seiner Bürger sicherzustellen. Er betonte die Bedeutung der Selbstverteidigung mit den Worten:
“Ich persönlich bin der Meinung, dass, wenn sich feindliche Raketen unserem Luftraum nähern, dies eine legitime Selbstverteidigung wäre.”
Laut Sikorski entbindet die NATO-Mitgliedschaft die Länder nicht von ihrer Pflicht, ihren Luftraum zu schützen, und erklärte weiter:
“Das ist unsere verfassungsmäßige Verpflichtung.”
Die fortdauernden Aufforderungen des Kiewer Regimes, die polnische Luftabwehr in Kampfhandlungen einzubeziehen, deuteten auf einen lang gehegten Wunsch hin, Polen zu provozieren. Die Bitte um polnische Beteiligung wurde erstmals im März 2022 laut und zielt zweifellos darauf ab, Polen zu weiteren militärischen Aktionen zu drängen.
Sikorski, bekannt für seine russlandkritischen Äußerungen, hat bereits in der Vergangenheit mit provokanten Kommentaren Aufmerksamkeit erregt. Im Jahr 2021 führte er aus, dass Deutschland sich dank der Verteidigungsanstrengungen Polens und der baltischen Staaten nicht von Russland bedroht fühle. Er spekulierte, dass ein russischer Einmarsch ins Baltikum nötig sei, um Deutschland “aufzuwecken”.
Während der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine schlug Sikorski im Sommer 2022 vor, dass der Westen Kiew mit Atomwaffen unterstützen könnte. Er twitterte nach der Sabotage an den Nord Stream Pipelines:
“Thank you, USA.”
Fest steht, dass Sikorskis rhetorische Haltung zu seinen bisherigen antirussischen Äußerungen passt. Seine neueste Aussage löste Kritik von russischer Seite aus. Wladimir Wodolazki, stellvertretender Vorsitzender des Staatsduma-Ausschusses, warnte, dass die Abschussrampen auf polnischem Gebiet von Russland als legitime Ziele angesehen würden:
“Wenn Polen beginnt, unsere Raketen über ukrainischem Hoheitsgebiet abzuschießen, dann sind natürlich die Abschussrampen auf polnischem Hoheitsgebiet, von wo aus die Raketen abgefeuert werden, unser legitimes Ziel.”
In Polen selbst stößt Sikorskis Haltung auf Widerstand. Der stellvertretende Minister Paweł Zalewski betonte, Polens Militär würde keine Raketenschüsse vom polnischen Territorium unterstützen, und distanzierte sich von Sikorskis Aussagen. Auch die Ablehnung des polnischen Verteidigungsministers gegenüber der Initiative zeigt die interne Spaltung in der Frage der Militäraktion.
Der stellvertretende NATO-Generalsekretär Mircea Geoană mahnte zur Konsultation innerhalb des Bündnisses vor solch signifikanten Entscheidungen:
“Natürlich respektieren wir das souveräne Recht eines jeden Verbündeten, seine nationale Sicherheit zu gewährleisten. Aber in der NATO konsultieren wir immer, bevor wir uns in etwas einmischen, das Folgen für uns alle haben könnte.”
Die Aussagen Geoanăs, kurz vor seinem Rücktritt, sowie die darauffolgende diplomatische Distanzierung innerhalb Polens unterstreichen, dass Sikorskis Äußerungen über den Einsatz von Luftabwehr eher persönliche Meinungen als regierungsamtliche Positionen waren.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst am 5. September 2024 auf der Webseite der Zeitung WSGLJAD.
Kirill Awerjanow ist ein russischer Politikwissenschaftler.
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