Katastrophe von Grenfell: Eine Tragödie und ihre politischen Folgen

Von Dagmar Henn

Der Grenfell Tower Brand, bei dem in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni 2017 in London 72 Menschen ihr Leben verloren, hat tiefgreifende Veränderungen in den Sicherheitsstandards erwarten lassen. Dieser tragische Vorfall, der einen Wohnkomplex mit Sozialwohnungen betraf, hat laut eines umfassenden 1.700 Seiten starken Untersuchungsberichts, der mehr als sieben Jahre nach dem Ereignis veröffentlicht wurde, vermeidbare Opfer gefordert.

Die Überreste des Hochhauses im Stadtteil Kensington sind noch immer mit Schutzhüllen versehen, um herabfallende Trümmer zu verhindern. Bereits am Tag des Brandes war klar, dass hier gravierende Missstände vorlagen.

Ein defekter Kühlschrank auf der vierten Etage war ursprünglich die Brandursache. Obwohl die Feuerwehr zügig eintraf, hatte sich das Feuer bereits bis zur Außenfassade ausgebreitet, begünstigt durch die kürzlich angebrachte brennbare Dämmung. Innerhalb von nur 30 Minuten erreichte das Feuer das 13. Stockwerk und schließlich brannten alle 24 Etagen des Gebäudes. Die Flammen konnten erst nach über einem Tag unter Kontrolle gebracht werden.

Auch wenn die Feuerwehr in steigender Anzahl eingriff, war das Gebäude eigentlich für eine Bekämpfung von innen ausgelegt. Da jedoch nur ein Treppenhaus vorhanden war und keine angemessene Brandschutzmaßnahmen wie Sprinkleranlagen oder spezielle Sicherungen des Treppenhauses existierten, wurde den Bewohnern zunächst geraten, in ihren Wohnungen zu bleiben. Dieser Rat wurde erst um 2:47 Uhr morgens aufgehoben, als sich noch 107 Personen im Gebäude befanden. Eine Evakuierung war zu diesem Zeitpunkt kaum möglich.

Die neuerlich gewählte Premierministerin Theresa May trat erst mehrere Tage nach dem Brand an die Öffentlichkeit. Die Versorgung der Betroffenen mit Notunterkünften ließ ebenfalls auf sich warten. Der Untersuchungsbericht enthüllt eine Vielzahl von Missständen und Versäumnissen, die häufig in der neoliberalen Politik wurzeln.

Bereits in den Jahren 1992 und 1997 gab es Brände, bei denen die gleiche Isolierung entflammte. Sicherheitstests im Jahr 2001 zeigten, dass die Isolierung stark brennbar war, doch wurde dies nicht öffentlich gemacht. Auch nach einem tödlichen Brand 2009 in London, bei dem sechs Menschen starben, wurden keine entscheidenden Maßnahmen ergriffen.

Das Building Research Establishment, seit 1997 privatisiert, steht im Verdacht, unter dem Einfluss von profitgetriebenen Herstellern zu stehen. Auch die beteiligten Bauunternehmen und die Verwaltung der Sozialwohnungen zeigten grobe Nachlässigkeiten bei Brandschutzmaßnahmen.

Die Reaktionen auf die Veröffentlichung des Berichts waren geprägt von Entschuldigungen der politischen Spitze, sowohl vom ehemaligen Premierminister Rishi Sunak als auch vom derzeitigen Premierminister Keir Starmer, der ein umfassendes Reformversprechen abgab. Die Hinterbliebenen fordern indes strafrechtliche Konsequenzen, eine Maßnahme, die vor dem Jahr 2026 unwahrscheinlich erscheint.

Weiter offenbleibt das Problem der brennbaren Fassadenverkleidungen. In London, im Stadtteil Barking, brannte kürzlich ein weiteres Gebäude, in dem bereits Fassadenersatzarbeiten im Gange waren.

Natasha Elcock, Mitglied der Bewohnervereinigung, kritisierte, dass die Sicherheit der Bewohner im Grenfell Tower nie Priorität hatte. Sir Martin Moore-Bick, der Vorsitzende der Untersuchungskommission, wies auf „systematische Unehrlichkeit und Gier“ hin, die zu der Katastrophe führten.

Der Brand offenbarte die fragwürdigen Praktiken des Baumanagements ähnlich wie die Flut im Ahrtal in Deutschland. Beide Ereignisse sind geprägt von politischen Versäumnissen, die noch immer nachwirken.

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