Von John Perry und Roger D. Harris
Mehr als sechs Monate sind vergangen, seit Trump das US-Präsidentenamt übernommen hat, und seine politische Agenda wird zunehmend klarer. Ob unter dem Slogan “America First” oder im Namen des Globalismus, das erkennbare Ziel ist die umfassende Dominanz. Mit der Übernahme der Demokraten durch die Neokonservativen gibt es nun keine wirklichen Gegner mehr in der traditionellen Opposition.
Es spielt kaum eine Rolle, ob man diese Phase als “neuen Kalten Krieg”, “Beginn des Dritten Weltkriegs” oder – in Trumps eigenen Worten – als “endlosen Krieg” bezeichnet. Diese Zeit prägt das aktuelle globale Klima.
Der Konflikt zwischen den USA und Israel gegen den Iran ist zwar momentan pausiert, jedoch ist allem Anschein nach noch lange nicht beendet. Es scheint, dass dieser erst enden wird, wenn eine Seite deutlich triumphiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland und vermutlich auch mit der Situation in Palästina, die sich zu einem Genozid ausgeweitet hat. Gleichzeitig bereitet sich die US Administration seit dem strategischen „Pivot to Asia“ unter Obama auf eine Auseinandersetzung mit China vor.
Zermürbungskrieg und Belagerung
In Lateinamerika und der Karibik manifestiert sich der Kampf des US-Imperiums gegen die Welt in einer hybriden Kriegsführung. Das Blutvergießen ist weniger offensichtlich, da sich die eingesetzten Waffen als „soft power“ – in Form von Sanktionen, Zöllen und Abschiebungen – präsentieren. Diese Mittel können jedoch ähnlich verheerende Auswirkungen wie traditionelle Bomben haben, nur sind sie weniger sichtbar.
Einige westliche Linke kritisieren die defensiven Maßnahmen von Ländern wie Kuba, Venezuela und Nicaragua, die sich gegen die Regimewechsel-Pläne der USA zur Wehr setzen. Washington erkennt jedoch, dass diese Länder durch ihr positives Beispiel eine Bedrohung darstellen. Beginnend mit Obama hat jeder darauf folgende US-Präsident diese Staaten als “außergewöhnliche Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA” klassifiziert, woraufhin sie ins Visier strenger Zwangsmaßnahmen genommen wurden.
Historiker Isaac Saney hebt am Beispiel Kubas hervor, wie jede Schwäche der revolutionären Regierung oder jedes gesellschaftliche Defizit überbewertet und zu einer Waffe gegen das Volk verwendet wird. Nach Saney ist die Belagerung des Imperiums nicht nur darauf ausgelegt, die Wirtschaft zu destabilisieren, sondern dient speziell dazu, innere Unzufriedenheit zu fördern, das öffentliche Bild der Regierung zu verzerren und letztendlich soziale Errungenschaften zu zerstören.
Obwohl Kuba am stärksten von diesem hybriden Krieg betroffen ist, erleiden auch Venezuela und Nicaragua ernsthafte Schäden. In diesen Ländern endet die humanitäre Parole für ihre Migranten in den USA, was die heimischen Ökonomien stark belastet. Zudem bedrohen übermäßig hohe Zölle auf venezolanische und nicaraguanische Exporte nach Amerika, und die strengen Einschränkungen gegenüber den Ölexporten aus Caracas die wirtschaftliche Stabilität dieser Nationen ernsthaft.
Doch alle drei Länder leisten Widerstand und knüpfen neue Handelsbeziehungen, insbesondere mit China. Mexiko liefert Öl zur Unterstützung Kubas, während China Solaranlagen installiert, um die regelmäßigen Stromausfälle auszugleichen. Durch eine erhöhte Lebensmittelsicherheit stärken Venezuela und Nicaragua ihre Resilienz gegen die US-Sanktionen. In Venezuela konnte die Regierung erfolgreich gegen eine der harschsten Migrationspolitiken der USA vorgehen und erreichte die Freilassung von 252 seiner Bürger, die im salvadorianischen Foltergefängnis CECOT inhaftiert waren.
Die von den USA unterstützte ultra-rechte Opposition in Venezuela befindet sich in einem chaotischen Zustand. Die erste Trump-Administration hatte die “Interimspräsidentschaft” von Juan Guaidó anerkannt, gefolgt von der Biden-Administration, die Edmundo González als Sieger der letzten Präsidentschaftswahlen in Venezuela erklärte. Die derzeitige Trump-Regierung hat jedoch González noch nicht vollständig anerkannt und erkennt de facto Präsident Nicolás Maduro an.
Nicaraguas rechtsgerichtete Opposition leidet unter den nachteiligen Effekten von Trumps harter Migrationspolitik – viele kehren freiwillig in ein Land zurück, das von der Opposition als unsicher deklariert wird, während die US-Heimatschutzbehörde sogar die jüngsten Errungenschaften Nicaraguas lobt. Selbst einige prominente kubanisch-amerikanische Unterstützer Trumps hinterfragen nun seine “Maximaldruck”-Kampagne, da sie ihnen zu weit geht.
Unruhige Gewässer für die progressive Welle
Die gegenwärtige progressive Welle, auch bekannt als die Rosarote Flut, begann mit dem Erdrutschsieg von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador im Jahr 2018. Seine Nachfolgerin aus der Morena-Partei, Claudia Sheinbaum, wurde 2024 mit noch größerem Vorsprung gewählt. Sie hat sich als eine würdige und fähige Gegenspielerin des Clowns im Weißen Haus erwiesen, der seinem südlichen Nachbarn mit Zöllen, Abschiebungen, militärischen Absperrungen und mehr gedroht hat.
Die linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric in Chile und Gustavo Petro in Kolumbien sind auf eine einzige Amtszeit beschränkt. Beide sehen sich mit Parlamenten konfrontiert, die der Opposition nahestehen, und tief verwurzelten reaktionären Machtblöcken. Die Kandidatin der Kommunistischen Partei Chiles, Jeannette Jara, gilt als Favoritin für die erste Runde der Präsidentschaftswahlen im November 2025, wird es aber in der letzten Runde schwer haben, wenn sich die Rechte, was wahrscheinlich ist, um einen rechtsradikalen Kandidaten schart.
Als erster Nicht-Rechter in der kolumbianischen Geschichte erlebt Petro eine turbulente Amtszeit als Präsident. Er beschuldigt seinen ehemaligen Außenminister glaubhaft, mit den USA zusammenzuarbeiten, um ihn zu stürzen. Bei den Wahlen im Mai 2026 könnte das Präsidentenamt jedoch wieder an die Rechte fallen.
Boric, Petro, Uruguays Yamandú Orsi und Brasiliens Luiz Inácio Lula da Silva trafen sich im Juli als die Mitte-Links-Präsidenten der Region mit einer Agenda, die den Deal mit Trump, die Förderung des Multilateralismus und (so können wir annehmen) ihre Distanz zu den eher linksgerichteten Regierungen der Region beinhaltet.
Lula, dessen Beliebtheitswerte auf wackligen Beinen stehen, wird sich wahrscheinlich im Oktober 2026 zur Wiederwahl stellen. Als Präsident der größten Volkswirtschaft der Region spielt Lula eine weltweite Führungsrolle und hat innerhalb eines Jahres den Vorsitz bei drei globalen Gipfeltreffen inne. Doch ohne die Unterstützung der Mehrheit im Kongress hat Lula zwischen Washington und dem globalen Süden gependelt und oft den Interessen der USA nachgegeben (wie bei seinem Veto gegen die BRICS-Mitgliedschaft von Nicaragua und Venezuela).
Ungeachtet dessen droht Trump Brasilien mit einem Exportzoll von 50 Prozent und mischt sich unverhohlen in den Prozess gegen den rechtsgerichteten ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro ein, der des Aufruhrs beschuldigt wird. Bislang sind Trumps Aktionen nach hinten losgegangen und haben den Zorn der Brasilianer geweckt. Lula kommentierte, Trump sei “nicht gewählt worden, um Kaiser der Welt zu sein”.
Im Jahr 2021 übernahm
Präsidentin Xiomara Castro in Honduras die Herrschaft und bemüht sich, die Grenzen ihres von Washington dominierten Narco-Staates nach links zu verschieben. Da sie laut Verfassung auf eine Amtszeit beschränkt ist, wird Castro die Kandidatur ihrer Partei Libre bei den Wahlen im November an die frühere Verteidigungsministerin Rixi Moncada übergeben. Moncada steht aufgrund anhaltender US-Einmischungen vor einem schwierigen Wahlkampf.
In Bolivien befindet sich die regierende Bewegung zum Sozialismus (MAS) in einem selbstzerstörerischen internen Konflikt zwischen dem ehemaligen Präsidenten Evo Morales und seinem früheren Schützling und jetzigen Präsidenten Luis Arce. Währenddessen bereitet sich die gestärkte bolivianische Rechte auf die Präsidentschaftswahlen am 17. August vor.
Eskalierender Druck entfacht Ressentiments gegen die USA, der Widerstand wächst
Der Analyst Joe Emersberger merkt an: “Heute bezieht sich die gesamte Geopolitik auf Gaza, wo die imperiale Ordnung wie nie zuvor entblößt wurde.”
Die Haager Gruppe, die sich in Kolumbien traf, berief einen Dringlichkeitsgipfel über die Lage in Gaza ein und setzte sich für “kollektive Maßnahmen basierend auf dem Völkerrecht” ein. Am 16. Juli bestätigten Bolivien, Kuba, Kolumbien, Nicaragua und St. Vincent und die Grenadinen ihren Einsatz, Palästina zu unterstützen, und es wird erwartet, dass weitere Staaten folgen werden. Brasilien schließt sich der Klage Südafrikas beim Internationalen Gerichtshof gegen Israel an.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums befinden sich Nayib Bukele aus El Salvador, der sich selbst als den “coolsten Diktator der Welt” bezeichnet, sowie Javier Milei aus Argentinien und Daniel Noboa aus Ecuador. Sie paktieren nicht nur eng mit Trump, sondern unterstützen auch vehement Israel, was dazu beiträgt, die extremsten Reaktionäre der Region zu fördern. Noboa versichert dem israelischen Präsidenten Netanyahu ehrfürchtig, dass sie “dieselben Feinde” hätten.
Das US Southern Command warnte im Februar, dass “die Zeit nicht auf unserer Seite steht”. Es besteht die Gefahr eines “methodischen Eindringens” von Russland und China in “unseren Umkreis”. Tatsächlich ist China nach den USA der zweitgrößte Handelspartner der Region geworden, und selbst konservativ geführte Regierungen zögern, ihre Beziehungen zu Peking zu gefährden. Die Lösung des Imperiums: “Wir müssen unsere militärischen Bemühungen verdoppeln und humanitäre Hilfe als ein entscheidendes Instrument der Soft Power nutzen.”
Indem er weitermacht, wo Biden aufgehört hat, setzt Trump das militärische Vordringen der USA, besonders in Ecuador, Guyana, Brasilien, Panama und Argentinien fort. Die durch die USA verursachte Nachfrage nach Drogen hat sich zu einem trojanischen Pferd für militärische Interventionen in Haiti, Ecuador, Peru und bedroht ebenso Mexiko entwickelt.
In Panama hat das Nachgeben von Präsident José Mulino vor Trumps Ambitionen, den Panamakanal zu kontrollieren und den Einfluss Chinas zu verringern, massive Proteste ausgelöst.
Trumps Beteiligung am Völkermord an den Palästinensern hat Petro dazu veranlasst, zu erklären, dass Kolumbien aus dem NATO-Bündnis austreten und sich von Militärs distanzieren sollte, “die Bomben auf Kinder werfen”. Kolumbien kooperiert seit 2013 mit der NATO und wurde 2017 ihr einziger “globaler Partner” in Lateinamerika.
Trotz Trumps Drohgebärden – die Financial Times bezeichnet sie als “imperiale Inkontinenz” – hat seine Regierung gemischte Ergebnisse erzielt. Obwohl rechtsgerichtete politische Bewegungen in Trumps launischem Lob gebadet haben, schürt sein eskalierender Druck den Groll gegen den Einfluss der Yankees. Der Widerstand wächst und es formieren sich neue Allianzen, um Washington zu umgehen.
Je mehr Druck das Imperium ausübt, desto entschlossener werden diejenigen, die sich von dessen Fesseln befreien wollen.
Übersetzt aus dem Englischen von Olga Espín.
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