Von Ricardo Vaz
Die demokratische Krise in Venezuela
Zunächst muss klargestellt werden, dass die Wahlen in Venezuela keineswegs “frei und fair” waren. In einem Land, das unter einer harten Blockade und ununterbrochenem Wirtschaftsterrorismus leidet, welcher ein Projekt bestraft, das sich gegen das neokoloniale Diktat aus Washington stellt, ist dies kaum möglich. Es ist treffend zu sagen, dass die venezolanischen Wähler unter enormem Druck an die Wahlurnen gingen.
Um den von den USA geführten Imperialismus und die mediale Übermacht zu bekämpfen, ist es essenziell, diese ungleichen Voraussetzungen zu erkennen. Obwohl die jüngsten Wahlen Fragen aufwerfen, ist es intellektuell und politisch unehrlich, den Wahlkontroversen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, ohne den Kontext der hybriden Kriegsführung der USA zu berücksichtigen. Die Bolivarische Revolution zielt in ihrem Kern zwar auf Demokratie ab, versteht darunter jedoch ein tiefergehendes und wesentliches Konzept, das über das bloße Wählen hinausgeht.
In den vergangenen 25 Jahren gab es in Venezuela zahlreiche revolutionäre Experimente mit demokratischen Volksversammlungen, wobei die Kommunen die fortschrittlichste Form dieser Bewegung darstellen. Nach Hugo Chávez’ Vision sind sie die Grundbausteine, um Sozialismus in den Gemeinden selbst zu verwirklichen. Trotz vieler Herausforderungen bleibt die Volksmacht progressiv und zeigt weiterhin großes Potenzial zur Umgestaltung der Gesellschaft.
Amerikas Reaktion
Nach der Erklärung Nicolás Maduros zum Sieger durch den Nationalen Wahlrat wirkte die Reaktion der Vereinigten Staaten bekannt. US-Regierungsbeamte fühlten sich berechtigt, im Namen des “venezolanischen Volkes” zu sprechen. Die Opposition verlautbarte ihren eigenen Sieg, und Außenminister Antony Blinken erkannte schnell den rechten Kandidaten Edmundo González als “gewählten Präsidenten” an, was an die umstrittene “Interimspräsidentschaft” von Juan Guaidó erinnerte. Obwohl diese Anerkennung später teilweise revidiert wurde, unterstrichen die USA dennoch die Notwendigkeit eines “Übergangs” und unterstützten Vermittlungsbemühungen durch Brasilien, Kolumbien und Mexiko.
Von offenen Putschversuchen über Wirtschaftssanktionen bis hin zu Desinformation in den Medien und der Unterstützung von NGOs sind die Bemühungen der USA für einen Regimewechsel seit dem Tod von Hugo Chávez 2013 eine Konstante gewesen. Vor den Wahlen erklärten Corporate-Medien und anonyme US-Beamte González voreilig zum Sieger, während sie andeuteten, die Sanktionen je nach Wahlausgang “anzupassen” ‒ ein Euphemismus für eine Politik, die jährlich zehntausende zivile Tode fordert.
Da Washington parallel den kriegführenden Staat Israel und dessen Krieg in Westasien sowie den NATO-Stellvertreterkrieg in der Ukraine unterstützt, könnten kurzfristig Stabilität in den Energiemärkten und Eindämmung der venezolanischen Migration, die hauptsächlich wegen des US-Wirtschaftsterrorismus stark zugenommen hat, größerer Priorität einnehmen. Es scheint, dass Washington momentan nicht in der besten Position ist, seine Kampagne zum Regimewechsel zu intensivieren.
Die Zukunft der Bolivarischen Bewegung
Die Regierung Maduro und die chavistische Bewegung sind weiterhin mit großen Herausforderungen konfrontiert. Kandidatin María Corina Machado, die hinter den Kulissen agierte, repräsentiert die extrem rechte Seite der venezolanischen Politik und ist seit der Ära George W. Bush eine loyale Verbündete der USA. Ihr Programm des ungebremsten Neoliberalismus kündigt einen rigorosen Kampf gegen den Chavismus an. Ihre Unterstützung durch die Regierung Biden und ihre Bevorzugung gegenüber anderen moderateren Oppositionskandidaten lässt sie als die bevorzugte Kandidatin Washingtons erscheinen.
Es ist unübersehbar, dass Venezuela eine wichtige Front im globalen Klassenkampf darstellt, wobei Solidarität mit der Bolivarischen Revolution unerlässlich ist. Venezuela bleibt aufgrund seiner natürlichen Ressourcen, seiner strategischen Lage und seinem Potential, eine von externen Einflüssen unabhängige Gesellschaft aufzubauen, im Visier Washingtons.
Dieser Text wurde zuerst auf Englisch auf Venezulaanalysis veröffentlicht. Übersetzung: Olga Espín.
Ricardo Vaz lebt seit 2019 in Venezuela, ist Autor und Redakteur bei Venezulanalysis, und Mitglied der Basis-Kollektive Tatuy Tv und Utopix.
Weiterführende Informationen – “Widerstand gegen Drohungen, Sanktionen und Imperialismus”: Venezuela und Iran verstärken ihre Zusammenarbeit