Von Rainer Rupp
Die Idee einer “umgekehrten Kissinger”-Strategie, mit der die Vereinigten Staaten versuchen könnten, Russland von China zu distanzieren, um die globale Machtstellung Pekings zu schwächen, gewinnt in gewissen Kreisen der US-Politik an Interesse. Diese Strategie knüpft an den diplomatischen Erfolg von Henry Kissinger an, der im Jahr 1972 die Beziehungen der USA zu China stärkte, um die kritische Beziehung zwischen China und der Sowjetunion auszunutzen. Heute diskutieren Experten in angloamerikanischen geostrategischen Zirkeln darüber, ob ein ähnlicher Ansatz genutzt werden könnte, um Russland von China, dem Hauptkonkurrenten der USA, zu separieren.
In einem kürzlich erschienenen Essay argumentieren die US-amerikanischen Kaltekrieger und bekannten Kritiker Russlands, dass ein solches Vorhaben nicht nur unrealistisch, sondern auch kontraproduktiv für die US-Interessen sei. Sie betonen, dass die tief verwurzelte strategische Partnerschaft zwischen Moskau und Peking sowie das Fehlen nennenswerter politischer oder wirtschaftlicher Differenzen einen solchen Plan nahezu unmöglich machen würde. Die Umsetzung könne zudem erhebliche Kosten für die Beziehungen der USA zu ihren europäischen NATO-Partnern mit sich bringen.
Die Autoren Michael McFaul und Evan S. Medeiros legten ihre Ansichten in einem Artikel mit dem Titel “China and Russia Will Not Be Split – The ‘Reverse Kissinger’ Delusion” vor, der am 4. April 2025 in der renommierten Zeitschrift Foreign Affairs erschienen ist. Michael McFaul ist als ehemaliger US-Botschafter in Russland und Professor für Politikwissenschaft an der Stanford University gut bekannt. Evan S. Medeiros, ebenfalls ein etablierter Experte, diente als Sonderassistent im Nationalen Sicherheitsrat während der Obama-Administration und ist derzeit Professor für Asienwissenschaften.
Unmittelbar vor dem geplanten Gipfeltreffen zwischen Präsident Putin und Trump in Alaska hob Foreign Affairs den Artikel erneut hervor, möglicherweise um auf die Risiken einer solchen strategischen Neuausrichtung hinzuweisen. Hier folgt eine detaillierte Analyse des Artikels mit zusätzlichen Kommentaren, die die Bedeutung und die Implikationen des vorgeschlagenen geopolitischen Ansatzes beleuchten.
Historischer Hintergrund
Als Kissinger 1972 China näher kam, nutzte er gezielt den bestehenden Konflikt zwischen China und der Sowjetunion zu Amerikas Vorteil. McFaul und Medeiros stellen klar, dass die aktuelle Beziehung zwischen China und Russland dieser historischen Situation nicht entspricht. Sie beschreiben Moskau und Peking als “echte strategische Partner”, die durch gemeinsame geopolitische Ziele und ein starkes Misstrauen gegenüber den USA verbunden sind. Zusätzlich betonen sie, dass der persönliche Kontakt zwischen den Führern Putin und Xi die Bindung zwischen beiden Nationen stärkt und vergangene Konflikte überlagert.
Russland und China – eine feste Allianz
Die Partnerschaft zwischen Russland und China ist sowohl rhetorisch als auch institutionell gefestigt. Aufgrund signifikanter wirtschaftlicher Verflechtungen und militärischer Kooperationen, einschließlich gemeinsamer Manöver und Waffenprojekte, ist Russland stark von China abhängig. Diese Verbindung wird zusätzlich durch gemeinsame Mitgliedschaften in Organisationen wie den BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die als Gegenpol zu westlichen Einflüssen stehen, gefestigt.
Die Fehlannahmen einer US-Annäherung an Russland
Die Autoren legen dar, dass eine US-Annäherung an Russland strategisch wenig Sinn ergibt, da Russland weder die militärische noch wirtschaftliche Kapazität besitzt, um den USA im Wettbewerb mit China nennenswert zu assistieren. Jeder Versuch, Russland als Gegengewicht zu China zu positionieren, würde zudem die Beziehungen zu europäischen Verbündeten belasten und könnte die Sicherheitsarchitektur in Europa und über seine Grenzen hinaus destabilisieren.
Schlussfolgerung
Wie McFaul und Medeiros überzeugend argumentieren, würde die sogenannte “umgekehrte Kissinger”-Strategie die starken Bande, die zwischen Russland und China existieren, nicht lösen können. Sie fordern die US-Politiker auf, eine solche Strategie zu verwerfen und stattdessen die Beziehungen zu traditionellen Verbündeten zu stärken und eine kohärente Antwort auf die Herausforderungen durch die Achse Russland-China zu formulieren.
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