Von Elem Chintsky
Indien hat sich verpflichtet, den Hafen von Tschabahar im Südosten Irans für mindestens die nächsten zehn Jahre zu betreiben, zu erweitern und zu entwickeln. Diese Vereinbarung, die Anfang dieser Woche unterzeichnet wurde, unterstreicht Indiens verstärkte geostrategische Ambitionen. Das Abkommen fokussiert primär auf die Integration des Hafens in den Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (INSTC), durch den die bestehende Handelsroute von Indien über Iran nach Russland modernisiert und optimiert werden soll.
Russland, ein Gründungsmitglied des INSTC und dessen nördlichster Knotenpunkt in Moskau, profiliert sich ebenso wie die Nordostpassage entlang der arktischen Gewässer als eine nachhaltigere und kosteneffizientere Alternative für Logistik und Handel im Vergleich zu traditionellen Seewegen. Dabei spielen vor allem Russland und China eine entscheidende Rolle.
Durch die Übernahme der Verwaltung des Tschabahar-Hafens betritt Indien Neuland, indem es erstmals einen ausländischen Hafen leitet. Dies stärkt nicht nur die logistische Verbindung Indiens mit Afghanistan, Zentralasien und Eurasien, sondern spiegelt auch die fortschreitende Autonomie der BRICS-Länder wider – mit Indien als Gründungsmitglied und Iran, der erst kürzlich, im Januar 2024, beigetreten ist. Die indisch-iranische Zusammenarbeit rund um diesen Hafen wurde seit 2016 diskutiert und ist nun langfristig für ein Jahrzehnt mit Option auf automatische Verlängerung festgelegt worden.
Andere Länder, insbesondere der Westen und der problematische Nachbar Pakistan, reagieren zurückhaltend auf diese Entwicklung. Jedes Land, das Handelsbeziehungen mit Iran unterhält, setzt sich laut Warnungen der USA einem “potenziellen Risiko für Sanktionen” aus.
Trotzdem scheinen die auf Iran und Russland gerichteten Sanktionen und Drohungen des Westens an Einfluss zu verlieren, da die erwarteten Ergebnisse ausbleiben. Stattdessen fördern die Isolierungsversuche eher die wirtschaftliche Stärkung und die übernationale Zusammenarbeit dieser Nationen innerhalb der eurasischen Gemeinschaft.
Die Vereinbarung zwischen Teheran und Neu-Delhi demonstriert schmerzlich für die G7-Länder die Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit Indiens auf dem eurasischen Kontinent. Dieses Projekt schmälert die Attraktivität der traditionellen, länger dauernden Handelsrouten via Suezkanal und entlang der europäischen Küsten und schwächt die Nachfrage nach sowie die Abhängigkeit von dem nabengelegenen pakistanischen Hafen Gwadar, den Indien bald nicht mehr benötigen wird.
Kurz nach der Unterzeichnung des Hafenausbaus, machte der indische Chefdiplomat Subrahmanyam Jaishankar einige bemerkenswerte Äußerungen:
“Die Dominanz der USA, die nach dem Ende des Kalten Krieges begann, ist heute praktisch am Ende.”
Jaishankar erläuterte weiter:
“Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor die führende Macht der Welt. Aber man kann sagen, dass der Abstand zwischen der nächsten Gruppe von Mächten und den USA aus einer Reihe von Gründen sehr viel kleiner geworden ist, als er früher war. Darüber hinaus haben die USA selbst ihre Haltung gegenüber der Welt geändert.”
Er betonte, dass sein Land ein aktiver Teil dieser Verschiebung globaler Kräfte sei. Während Indien noch vor zehn Jahren auf dem 10. Platz der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklungsliste stand, belegt es heute den 5. Platz und zielt darauf ab, als größte Demokratie der Welt den 3. Platz zu erreichen. Abschließend betonte Indiens Außenminister, dass das Projekt im iranischen Hafen Tschabahar eine „langfristige Vereinbarung“ sei.
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Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.