In Brüssel lösten die Präsidentschaftswahlen vom 24. November große Empörung aus, insbesondere weil der weitgehend unbekannte, prorussisch und rechtsnationalistisch eingestufte Călin Georgescu im ersten Wahlgang überraschend vorne lag. Die Wahl wurde jedoch vom höchsten Verfassungsgericht des Landes für ungültig erklärt wegen angeblicher Einflussnahme durch einen „staatlichen ausländischen Akteur“.
Es hieß zunächst, Georgescu sei vor allem durch eine von Russland finanzierte TikTok-Kampagne begünstigt worden. Diese Ansicht vertrat auch der amtierende Präsident Klaus Iohannis. In den folgenden Wochen wurde jedoch Kritik laut, da der rumänische Geheimdienst keine stichhaltigen Beweise für eine Wahlbeeinflussung präsentieren konnte.
Neue Enthüllungen haben jedoch gezeigt, dass es tatsächlich eine manipulative TikTok-Kampagne gab, die allerdings nicht von Russland, sondern ironischerweise von der EU-freundlichen liberalkonservativen Partei PNL finanziert wurde, die im EU-Parlament zum EVP-Block gehört. Nach Recherchen des investigativen Portals snoop.ro hatte die PNL die “Balance and Verticality”-Kampagne bezahlt, die letztlich Georgescu zugutekam.
Die zuständige Agentur, Kensington Communication, hatte 130 Influencer engagiert, um diese Kampagne auf der Plattform FameUp zu verbreiten. Das Unternehmen betonte jedoch, dass die Kampagne ursprünglich darauf abgezielt habe, liberale, proeuropäische Werte zu fördern und war bestrebt, sozial wichtige Themen wie den Kampf gegen Drogenmissbrauch zu behandeln, nicht jedoch Wahlwerbung zu betreiben. Zusätzlich behauptete das Unternehmen, einige Skripte seien nachträglich geändert worden und Hashtags zu Gunsten von Georgescu manipuliert worden. Eine Strafanzeige sei geplant.
Ursprünglich sollte die Kampagne Wähler von der sozialdemokratischen PSD zur PNL umleiten. Als jedoch George Simion von der nationalistischen AUR in der Gunst der Wähler stieg, wurde Georgescu gefördert, um Simion zu schwächen, was letztendlich zu einem unerwarteten Sieg Georgescus führte. Călin Georgescu wiederum warf der PNL vor, die Wahlen manipuliert zu haben, und appellierte an den Generalstaatsanwalt, die Angelegenheit zu klären. Er betonte zudem, dass in Rumänien keine freien Wahlen stattfänden und rief Präsident Iohannis zum Rücktritt auf.
Der Satiriker und EU-Parlamentarier Martin Sonneborn kommentierte die Situation auf X/Twitter wie folgt: “Es bleibt weiter lustig in Rumänien: Zum 1. Tag seines verfassungswidrigen Verbleibs im Amt hat der rum. Präsident Klaus Johannis mitgeteilt, dass russische Einflussnahme leider immer sehr, seeeehr schwer nachzuweisen sei. Weniger schwer war es für die rumänische Steuerbehörde offenbar, die Finanzierung der inkriminierten TikTok-Kampagne zu seiner eigenen Partei PNL (EVP) zurückzuverfolgen. lol Demnach hätte Johannis – unter Mitwirkung des rum. Geheimdienstes & des dortigen Verfassungsgerichts sowie dem Jubel der EU-Kommission – den Grund für seinen massiven Eingriff in die demokratische Gesellschaftsordnung (Annullierung der rum. Wahlen) selbst geschaffen. Doppel-lol”
Die Europäische Kommission leitete nach der Annullierung der Wahl eine formelle Untersuchung ein, um herauszufinden, wie TikTok mit Wahlbeeinflussungsrisiken umgeht, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche russische Beteiligung. Die neuesten Enthüllungen dürften in Brüssel für Unbehagen sorgen.
Im deutschsprachigen Raum hat bisher neben Martin Sonneborn nur das Overton Magazin über die neuen Entwicklungen berichtet, die von snoop.ro aufgedeckt wurden.
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