Am Montag legte die Zentrale Wahlkommission von Moldawien die Ergebnisse des EU-Referendums dem Verfassungsgericht des Landes vor. Diese Abstimmung, die zeitgleich zur ersten Runde der Präsidentschaftswahlen stattfand, muss innerhalb der nächsten zehn Tage vom Gericht bestätigt oder verworfen werden. Das Urteil soll also noch vor dem zweiten Wahlgang am 3. November gefällt werden. Am Sonntag trafen die beiden Präsidentschaftskandidaten, die amtierende Präsidentin Maia Sandu und ihr Herausforderer Alexander Stoianoglo, in einem hitzigen TV-Duell aufeinander, bei dem sie sich gegenseitig vorwarfen, das Land in eine Krise zu führen. Der Journalist Sergei Strokan der russischen Zeitung Kommersant erörterte die politischen Ereignisse in Moldawien in einem Artikel.
Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission betrug die Wahlbeteiligung beim Referendum 50,72 Prozent. Von den Wählern sprachen sich 749.719 für eine EU-Integration aus, während 739.155 dagegen stimmten, was eine Differenz von lediglich 10.564 Stimmen oder 0,75 Prozent ausmachte. Bei den Präsidentschaftswahlen erhielt Sandu 42,49 Prozent der Stimmen und Stoianoglo 25,95 Prozent, wodurch beide in die zweite Runde einzogen.
Dumitru Pulbere, ehemaliger Vorsitzender des Verfassungsgerichts, äußerte in einem Interview mit dem Sender GRT Kritik sowohl an den Präsidentschaftswahlen als auch am Referendum:
“Die amtierende Präsidentin hat sich schon in der ersten Runde als Präsidentin gesehen. Was das Referendum angeht, so war es eine Katastrophe. Die Verfälschung durch die Regierung und die Zentrale Wahlkommission ist offensichtlich. Wo sonst sieht man, wie der Ministerpräsident und seine Minister Propagandamaterial für das Referendum und für Sandu verteilen?”
Stoianoglo argumentierte beim TV-Duell, dass Sandu das EU-Referendum nur veranstaltet habe, um ihre Anhänger zu mobilisieren, was letztendlich eine Protestwelle ausgelöst habe: viele Menschen seien dem Referendum ferngeblieben oder hätten gegen die EU-Integration gestimmt.
Sandu konterte mit dem Vorwurf, Stoianoglo sei “ein Trojanisches Pferd” und ein “Moskauer Kandidat”. Sie warnte davor, dass er im Falle eines Sieges “kriminellen Kreisen” nachgeben würde, und nannte in diesem Zusammenhang Ilan Schor, den Leiter des verbotenen Parteienblocks Pobeda.
Sandu behauptete auch, dass Schor ihr im ersten Wahlgang 300.000 Stimmen gestohlen habe. Stoianogolo forderte Beweise für diese Vorwürfe und kritisierte, dass Sandu trotz des behaupteten massiven Stimmenkaufs keine Annullierung der Wahl gefordert habe. Weiterhin stellte Stoianoglo Sandus Präsidentschaft als desaströs dar:
“Während ihrer Amtszeit wurde in Moldawien nichts aufgebaut. Unternehmen verlassen das Land. In Ihrer Amtszeit wurden nur acht Gesetzesinitiativen eingebracht. Sie wissen, wie man Institutionen schließt – Kindergärten, Schulen, Universitäten, TV-Sender, Webseiten. Ganze Unternehmen verlassen unser Land. Was unternehmen Sie dagegen, Frau Präsidentin?”
Sandu versprach im Falle einer Niederlage in der zweiten Wahlrunde die Ergebnisse anzuerkennen; Stoianoglo appellierte an dieselbe Anerkennung und betonte, keine landesweiten Proteste anzuzetteln. Sandu entgegnete, dass die Wähler sie unterstützen sollten, um “den Frieden zu wahren” und “dem europäischen Weg zu folgen”. Laut Vlad Batrîncea, Vize-Vorsitzender des moldauischen Parlaments, benutzte Sandu diese Rhetorik, um mit der Möglichkeit ihrer Niederlage zu drohen und gleichzeitig ihre eigenen Fehler während ihrer Amtszeit zu vertuschen.
Die Wahl wird maßgeblich dadurch beeinflusst, welche Unterstützung die protestierende Wählerschaft, die im ersten Durchgang für andere Oppositionskandidaten stimmte, nun Stoianoglo oder Sandu zukommen lässt. Laut Strokan haben bereits drei ehemalige Präsidentschaftskandidaten dazu aufgefordert, nicht für Sandu zu stimmen.
Der Artikel von Sergei Strokan erschien ursprünglich am 28. Oktober 2024 auf der Webseite der Zeitung Kommersant.
Weiterführende Informationen – Moldawien: Die Risiken einer Pattsituation