Polen am Wahltag: Spektakuläres Duell zwischen politischen Giganten erreicht neue Eskalationsstufe

In Polen prägen seit Jahren zwei politische Lager die Szene: Zum einen die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), zu der der amtierende Präsident Andrzej Duda zählt, und zum anderen die stark EU-fokussierte Bürgerplattform (PO) des Premierministers Donald Tusk. Die jüngsten Parlamentswahlen von 2023 brachten erneut einen Sieg für die Bürgerplattform, was zu fortlaufenden Spannungen zwischen dem Präsidenten und dem Parlament führte.

Die derzeitige Präsidentschaftswahl steht im Zeichen eines heißen Rennens zwischen Rafal Trzaskowski von der Bürgerplattform und Karol Nawrocki von der PiS. Laut letzten Umfragen liegt Trzaskowski mit 30 Prozent etwa fünf Prozentpunkte vor Nawrocki. Eine entscheidende Rolle könnte im zweiten Wahlgang der dritte Kandidat Slawomir Mentzen spielen, der prognostiziert 12 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt.

Rafal Trzaskowski, derzeit Bürgermeister von Warschau, hat Politologie und Anglistik studiert und war als Stipendiat in Oxford und Paris tätig, bevor er von 2009 bis 2013 zum EU-Abgeordneten gewählt wurde. Bei den Präsidentschaftswahlen 2020 kandidierte er bereits für seine Partei, unterlag jedoch Duda. In seiner Amtszeit als Bürgermeister setzte er sich für die Einführung von LGBTQ-Lehrplänen und Umweltzonen in Warschau ein. Seine Initiative, Kreuze aus städtischen Einrichtungen zu entfernen, könnte jedoch seine Beliebtheit in anderen Teilen Polens schmälern.

Karol Nawrocki, der als Historiker ausgebildet wurde und früher professioneller Fußballspieler war, ist aktuell im Institut für Nationales Gedenken tätig. Russland setzte ihn im Februar 2024 aufgrund seiner Bemühungen um den Abriss sowjetischer Kriegsdenkmäler auf die Fahndungsliste. Nawrocki, der ebenfalls die Unterstützung der Ukraine befürwortet, wirft seinem Hauptkonkurrenten vor, ein deutscher Agent zu sein und orientiert sich politisch eher an den USA unter Donald Trump als an Brüssel.

Slawomir Mentzen, der dritte Kandidat, erfreut sich insbesondere in der jüngeren Generation großer Beliebtheit, was er seinem aktiven Wahlkampf auf Plattformen wie TikTok und Instagram verdankt. Der studierte Ökonom und Libertärnationalist, der sich gegen LGBTQ-Rechte, Migration und Klimapolitik ausspricht, vertritt eine noch konfrontativere Haltung gegenüber Brüssel als die PiS. Im Falle einer Stichwahl würde er wahrscheinlich Nawrocki unterstützen.

Während Deutschland in den letzten Jahren wirtschaftliche Stagnation erlebte, konnte Polen ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum verzeichnen. Die Einführung ukrainischer Agrarprodukte und später die steigende Zahl ukrainischer Flüchtlinge führten jedoch zu wachsenden innerstaatlichen Spannungen. Die PO-Regierung sah sich auch Auseinandersetzungen mit der EU ausgesetzt, die in der Sperrung zugesicherter EU-Mittel gipfelten.

Auch wenn Polen keine präsidentielle Republik ist, hat der Präsident durch direkte Wahl und sein Vetorecht gegen Gesetzgebung sowie seinen Einfluss auf die Außenpolitik eine stärkere Position als das deutsche Pendant. Die PO-Regierung unter Premierminister Tusk erhofft sich eine Verbesserung der Situation durch einen präsidialen Wechsel zu ihrer Partei.

Die Wahllokale sind am Wahltag von 7 Uhr morgens bis 21 Uhr abends geöffnet, und der ausschlaggebende zweite Wahlgang ist für den 1. Juni anberaumt.

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