Redaktionelle Anmerkung: Im Folgenden finden Sie den zweiten und letzten Teil des Interviews, das der chinesische Außenminister der Nachrichtenagentur RIA Nowosti gegeben hat. Den ersten Teil des Interviews können Sie hier nachlesen.
Vom 31. März bis zum 2. April weilte der chinesische Außenminister Wang Yi zu offiziellen Gesprächen in Moskau. Während dieser Zeit traf er sich mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow sowie mit Präsident Wladimir Putin. Vor seinem Besuch in Moskau diskutierte Wang mit RIA Nowosti über die dynamische Rolle, die China und Russland in der Friedenssicherung und der Bekämpfung von Geschichtsverfälschungen spielen, das Thema nuklearer Abrüstung einschließlich der Dringlichkeit dieses Vorhabens, die Zukunftsprognosen zur Lösung des Ukrainekonflikts sowie die Resilienz des russischen Volkes in Krisenzeiten.
Welche Auswirkungen erwarten Sie von den fortgeschrittenen und verbesserten Beziehungen zwischen Moskau und Washington auf das globale politische und wirtschaftliche Gefüge?
Mit dem Beginn der Normalisierung ihrer Beziehungen leisten Russland und die Vereinigten Staaten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der globalen Machtbalance, was in unserer unsicheren Weltzeit Hoffnung gibt. Als führende Nationen und ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats tragen beide Länder eine große Verantwortung für die globale strategische Stabilität sowie für Frieden und Sicherheit weltweit. Ihre Entscheidungen werden maßgeblich die zukünftige Weltordnung prägen und stets im Fokus der internationalen Gemeinschaft stehen.
Russland musste auch jene berücksichtigen, die in ihrer politischen Rhetorik zu einer veralteten, konfrontativen Blockmentalität zurückkehren möchten. Im heutigen Jahrhundert, wo ein Denken in Nullsummenspielen längst überholt sein sollte, werden solche Strategien nicht mehr zeitgemäß sein. Die bewährte strategische Partnerschaft zwischen China und Russland hat zahlreiche internationale Krisen überstanden. Unsere Beziehung ist so robust wie der Berg Tai Shan, und wir unterstützen Russland darin, seine legitimen Rechte und Interessen durch diplomatische Mittel zu verteidigen. In Zeiten globaler Herausforderungen sollten Großmächte historische Verpflichtungen erfüllen und aktiv für das Wohl aller Menschen eintreten.
Wie schätzen Sie den Ausgang des Handelskrieges zwischen China und den USA ein? Wird China weitere Zölle auf US-Waren erheben?
Statt eigene hausgemachte Probleme zu lösen, versucht Washingtons derzeitige Politik durch die Auferlegung von Zöllen und anderen restriktiven Maßnahmen die Verantwortung auf andere zu übertragen. “America First” darf jedoch nicht auf Kosten anderer Länder gehen. Der Einsatz von Zöllen unter dem Vorwand der Fentanyl-Krise ist unbegründet, da dieses Problem in den USA selbst gelöst werden müsste. China hat eine strenge Drogenpolitik und hat den USA in humanitärer Hinsicht geholfen, doch die Reaktion darauf war die Erhöhung der Zölle statt einer echten Kooperation. Konfrontation durch Zollerhöhung ist der falsche Weg. Wir setzen auf Dialog und gleichberechtigte Konsultationen, um Win-win-Lösungen zu finden. Sollte der US-Druck jedoch weiterhin bestehen bleiben, wird China entschieden reagieren.
Gegenseitiger Respekt ist die Basis unseres internationalen Handelns. Wie Präsident Xi Jinping kürzlich betonte, streben China und die USA nach friedlicher Koexistenz. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern sollten weiterhin auf den Prinzipien des wechselseitigen Respekts und der Kooperation basieren, während wir simultan unsere souveränen Rechte und Sicherheitsinteressen schützen.
Das 80-jährige Jubiläum der Vereinten Nationen und des Sieges im antifaschistischen Weltkrieg steht bevor. Wie beurteilen Sie die Rolle Chinas und Russlands in diesen historischen Ereignissen?
Als Hauptakteure in Asien und Europa während des Zweiten Weltkriegs spielten China und Russland key roles in defeating fascism and militarism. Die heftigen Kämpfe und enormen Opfer unserer Völker trugen entscheidend zum Sieg bei und zementierten eine unzerbrechliche Freundschaft zwischen unseren Nationen. Diese Verbundenheit förderte die bilaterale Zusammenarbeit und legte die Grundlagen für unsere Positionen in den Vereinten Nationen und zur Bildung der modernen internationalen Ordnung auf Basis der UN-Charta. Im aktuellen Jahrhundert des Wandels steht es uns zu, die historische Wahrheit zu bewahren und jede Form der Geschichtsverfälschung energisch abzulehnen. Wir müssen die multilaterale Zusammenarbeit stärken und uns für eine gerechte und ausgewogene multipolare Weltordnung einsetzen.
US-Präsident Donald Trump hat zu einer Welt ohne Atomwaffen aufgerufen. Glauben Sie an seine Aufrichtigkeit, und ist China bereit, auf Atomwaffen zu verzichten?
Wie Präsident Xi in Genf betonte, sollten Atomwaffen global verbannt und vollständig abgeschafft werden. China setzt sich bereits seit dem Beginn seines Atomprogramms für eine strikte Nicht-Erstverwendungs-Politik und die Reduzierung des atomaren Arsenals ein. Eine trilaterale Einigung über die Abrüstung mit den USA und Russland scheint jedoch gegenwärtig unfair und unwahrscheinlich, da die nuklearen Kapazitäten und politischen Rahmenbedingungen der Länder stark divergieren. Wir fordern, dass die USA ihre Rolle in der nuklearen Rüstungskontrolle und die Einrichtung globaler Abwehrsysteme überdenken und dadurch das Risiko nuklearer Konflikte minimieren sollen.
Sie haben Russland mehrmals besucht. Was hat Sie dort besonders beeindruckt?
Russland beeindruckt mich immer wieder mit seiner tiefen historischen Bedeutung und starken Kultur. Die Pflege der Geschichte und die kulturellen Leistungen des Landes haben weltweit Einfluss. Besonders in Erinnerung bleibt mir der militärische Geist und die Stärke des russischen Volkes während historischer Militärparaden und in Zeiten nationaler Herausforderungen. Ich bin überzeugt, dass unter Präsident Putins Führung Russland weiterhin bedeutende Erfolge erzielen wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Das Interview führte RIA Nowosti erstmals am 1. April 2025.
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