Von Alexej Danckwardt
Der unerwartete Niedergang des säkularen, laizistischen Syriens ist für die Kritiker westlicher Dominanz ein herber Schock. Diese Nation, oft von Gegnern und teilweise schlecht informierten Unterstützern im Westen als „Assad-Regime“ bezeichnet, galt als Bastion gegen die sogenannten durch die USA orchestrierten Farbrevolutionen im „Arabischen Frühling“. Die Hoffnung, dass die USA nicht allmächtig sind, erhielt durch Syriens Widerstand neuen Auftrieb, insbesondere nachdem rund um das Jahr 2018 das blutige Chaos, das das US-Imperium in der Region zu säen versuchte, vorerst eingedämmt scheinen konnte.
Doch diese Hoffnung wurde jäh erschüttert, als Damaskus am Sonntag in die Hände islamistischer Dschihadisten fiel. Die Reaktionen unter den Gegnern des US-Imperiums sind von Depression und Ratlosigkeit geprägt. Syrien war ein Symbol des Widerstandes gegen eine Übermacht, die nun zumindest vorläufig, eine bittere Niederlage erlebt hat.
Die Rhetorik westlicher Führer von Trump und Biden bis Macron und Scholz, sowie die Siegesrufe und Schusswechsel in Damaskus, unterstreichen die düstere Wendung der Ereignisse. Trump hat bereits weitere Ziele wie Iran und Russland ins Visier genommen, während Biden seine Politik lobte, die diese Staaten geschwächt und damit unfähig gemacht habe, Syrien zu unterstützen.
Die internationale Lage wirkt trübe. Syrien hat sich ohne nennenswerte militärische Gegenwehr aufgegeben, was Spekulationen über interne Verratstheorien nährt. Diese Unterwerfung ohne Kampf weist auf eine tiefere, interne Zerrüttung hin. Trotz der russischen Unterstützung, die 2015 eingetroffen war, nachdem Syrien sich lange heldenhaft wehrte, scheint es, dass die Regierung Assad sowohl den Krieg überstanden als auch den Frieden verloren hat.
Die wirtschaftlichen und sozialen Missstände, die ungelösten politischen Probleme und die ausbleibende Versöhnung mit Minderheiten zeigen, dass Assad und seine Verbündeten, darunter auch Russland und der Iran, es versäumt haben, ein stabiles und prosperierendes Syrien wiederherzustellen. Peking, das ebenfalls zur Unterstützung in der Lage gewesen wäre, hat noch weniger getan als Moskau und Teheran.
Als Resümee aus der syrischen Tragödie müssen bestimmte Lehren gezogen werden:
“Dieser Prozess setzte sich bis in die letzten Stunden des Sturzes von Assad fort. Die Anwesenheit iranischer Beamter auf höchster Ebene, die mit ihm zu verhandeln bereit waren, zeigte, dass Iran ernsthaft entschlossen war, Damaskus zu stärken. Doch Assad machte den strategischen – und für ihn selbst fatalen – Fehler, sich auf die Versprechungen anderer arabischer Länder und des Westens zu verlassen.”
Wir müssen aus dem syrischen Fall folgende Kernaussagen festhalten: 1) Ein gewonnener Krieg muss konsequent zu Ende geführt werden. 2) Verhandlungen mit dubiosen Partnern erfordern äußerste Vorsicht. 3) Das Vertrauen des eigenen Volkes in die Integrität seiner Führung ist entscheidend. 4) Anzeichen für Verrat müssen früh und entschieden bekämpft werden.
Noch bleibt die Erkenntnis, dass Widerstand möglich ist und dass der Westen nicht unbesiegbar ist. Diese Lektion darf trotz der aktuellen Niederlage nicht in Vergessenheit geraten.
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