Von Rüdiger Rauls
Die Rolle zweifelhafter Experten
In Russland hat sich entgegen der Prognosen westlicher Experten eine überraschende ökonomische Resilienz gezeigt. Durchweg prognostizierten führende Ökonomen einen wirtschaftlichen Zusammenbruch Russlands als Folge der beispiellosen Sanktionen, die nach Worten der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock das Land “in den Ruin treiben” sollten. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah die russische Wirtschaft bereits “in Fetzen”. Doch keiner dieser Experten hat die mögliche Fehleinschätzung ihrer konzertierten Vorhersagen in Frage gestellt.
Sogar Wirtschaftswissenschaftler übertrafen sich gegenseitig mit düsteren Prognosen über den wirtschaftlichen Einbruch Russlands. Sie sagten voraus, dass die Kriegskosten das Land in kürzester Zeit in die Knie zwingen würden. Doch tatsächlich haben sich ihre Voraussagen als erstaunlich inkorrekt erwiesen, was auch in vergangenen ökonomischen Krisensituationen oft der Fall war.
Zum Beispiel führte die massive Geldspritze der Zentralbanken nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht zu der vorhergesagten Hyperinflation. Jörg Krämer, Chef-Volkswirt der Commerzbank, bemängelte kürzlich die unzureichende Genauigkeit der Inflationsprognosen der EZB, welche seiner Meinung nach dringend verbessert werden müssen. Auch hoch verschuldete Staaten wie Japan und die USA blieben trotz Überschreitung der kritischen wirtschaftswissenschaftlichen Grenzwerte stabil.
Es stellt sich heraus, dass die führenden Persönlichkeiten des Kapitalismus dessen Funktionsweisen und treibende Kräfte nicht vollständig begreifen. Die etablierten wirtschaftlichen Modelle und Theorien entsprechen oft nicht der Praxis, wodurch fundamentale Fehleinschätzungen wie die zur russischen Wirtschaftslage entstehen.
Diese Fehlurteile spiegeln sich in der Annahme wider, dass die russische Ökonomie hauptsächlich von Sanktionen und Kriegslasten beeinträchtigt wird, dennoch zeigt sie eine überraschende Widerstandsfähigkeit und Entwicklung, die von den Wirtschaftsanalysten nicht vorhergesehen wurde.
Zweifelhafte Erklärungsansätze
Einige Experten versuchen, die Beharrlichkeit der russischen Wirtschaft mit ihrer Umstellung auf eine Kriegswirtschaft zu erklären, doch dies greift zu kurz. Die westlichen Militärhaushalte übertrafen die Russlands bereits vor dem Konflikt deutlich, und trotzdem stagniert die Wirtschaft der EU im Vergleich zu der Russlands, das weiterhin seine Auslandsschulden tilgt, entgegen der Annahmen vieler Wirtschaftswissenschaftler.
Die wahre Dynamik globaler wirtschaftlicher Entwicklungen ist zu vielfältig für simple Langzeitprognosen. Viele Faktoren wie neue Technologien, geopolitische Konflikte oder Entdeckungen von Ressourcen führen zu unvorhersehbaren Auswirkungen.
Viele westliche Ökonomen berufen sich immer noch auf ein überholtes Russlandbild aus Zeiten des Kalten Krieges, ohne zu erkennen, dass Russland eine solide Industriebasis und finanzielle Ressourcen hat, die es von früheren sanktionierten Staaten wie Kuba oder Iran unterscheidet.
Westliche Missverständnisse und Perspektiven
Obwohl der Westen russische Exporte beschränkt und westliche Unternehmen gezwungen sind, ihre Geschäfte in Russland einzustellen, nutzt Russland diese Situation, um seine Marktanteile auszubauen und eigene Industrien zu stärken. Die Produktion wird von russischen Arbeitern fortgesetzt, die zuvor in westlichen Unternehmen tätig waren.
Während die russische Wirtschaft sich von den anfänglichen Schockeffekten der Sanktionen erholt, könnten diese langfristig sogar zum Vorteil werden, indem sie die industrielle und wirtschaftliche Autonomie stärken. Andererseits leidet die europäische Ökonomie unter den selbstauferlegten Handelsrestriktionen, was zu Verknappungen und Preisanstiegen führt.
Die Zusammenarbeit zwischen China und Russland profitiert von diesen Umständen, gefördert durch gegenseitige wirtschaftliche Vorteile und das Fehlen westlicher Wettbewerber, verstärkt die bilaterale Handelsbalance.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Autor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
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