Ijon Tichys Rückkehr in eine turbulente Zeit: Satire und Kriegsspiele in Terranien

Teil I finden Sie hier.

Ein Beitrag von Mikhail Balzer

Die Satire – Zweiter Teil

Wie bereits im ersten Teil erwähnt, litt Ijon Tichy nach seinem Sturz aus der Zeitschleife unter starken Schwindelgefühlen, die seine Konsternation über die aggressive Stimmung auf seinem Heimatplaneten Terranien nur noch verstärkten. Von seiner Tarnkappen-gesicherten Umlaufbahn aus vernahm er nur Unheilvolles: Vorbereitungen für den Krieg, trügerische Parolen über den Schutz von Klima, Freiheit und Demokratie, ständige Provokationen und die heimtückischen Machenschaften der Strippenzieher aus Übersee. Besonders aufsehenerregend waren die kühnen Strategien des Orwell’schen Verteidigungsministers Baldovino Pistoletti und seiner militärischen Gefolgsleute, die auch “die bemerkenswerten Jungs” genannt wurden. Anfänglich stießen diese Pläne jedoch auf deutliche Ablehnung von einer Partei, die sich angesichts der gefährlichen Manöver und der zuweilen grotesken Natur der Vorschläge eingeschnappt zeigte.

Indessen schritten die kriegsvorbereitenden Maßnahmen der Kräfte aus Pan*Europien und deren Alliierten aus Ukra*Tanien zügig voran. Im buntbürokratischen Regenbogenbunt*Land klärte man mit typischer Genauigkeit bereits die Finanzierungsfragen des Krieges und des Aufbaus einer riesigen Roulette-Drehscheibe für das bevorstehende Pokerspiel. Versichert wurde, dass die Finanzierung aus einem bereits erschöpften Sondervermögen sowie einem listigen Trick erfolgen könne, ein Plan, ausgeheckt von der geheimnisvollen Uschi aus Brüssel und den Grandiosen Sieben. Der Bürger müsse sich, so wurde es vollmundig verkündet, um keine zusätzliche steuerliche Belastung sorgen.

Auch die Militärdoktrinen wurden unter Orwell’schen Verteidigungsministern neu geschrieben: Der Einsatz aller zur Verteidigung nach Ukra*Tanien gelieferten Waffensysteme sei nun selbst im Hinterland des feindseligen östlichen Angreifers erlaubt, ohne dass dies eine Kriegsbeteiligung darstelle. Diese absurden juristischen Spitzfindigkeiten fanden auch Eingang in zahlreiche “Sicherheitsabkommen” mit Ukra*Tanien.

In weniger kriegseligen Zeiten hätte man in Pan*Europien sicherlich offen und kontrovers über solche verbalen Akrobatikstücke diskutiert. Jedoch erstickte eine stete Medienflut die Möglichkeit zur öffentlichen Reflexion, was Ijon Tichy an die lästigen Heuschnupfenzeiten seiner Jugend erinnerte. In melancholischen Momenten sehnte er sich nach der friedlichen Erde seiner Kindheit zurück, nachdem ein verheerender Krieg die pseudoelitären Mächte hinweggefegt hatte.

Doch zurück zur Gegenwart, in der Ijon fasziniert und verstört zuhörte, wie der Freiheitskampf eines bestimmten Landes von den grauen Eminenzen Pan*Europiens reinwaschend als Musterbeispiel der Demokratie dargestellt wurde. Dies sollte seine rasche Integration in Pan*Europien sichern. Währenddessen kritisierte Ijon die Heuchelei der Situation und verglich sie ironisch mit übertriebenen Werbeversprechen.

Setzt man diese Beobachtungen fort, schien es, dass selbst die Soldaten dieses Landes trotz hoher Verluste wie aus dem Boden wachsen würden. Piloten, die, zu Universalgenies stilisiert, heterogene westliche Flugzeuge nach minimaler Ausbildung meistern, – zumindest laut den verdächtig uniformen Nachrichtenberichten. Offiziell seien keine westlichen Soldaten beteiligt, abgesehen von wenigen Dutzend, die als Berater agieren. Doch verdächtige Einsätze dieser Berater in Kriegszonen und plötzliche Todesfälle höher gestellter Militärpersonen in gefährlicher Nähe zu Kampfgebieten wurden totgeschwiegen oder unter den Teppich gekehrt.

Mehr zum Thema – Gedanken des Balkonisten – Stehen wir vor einem großen Krieg? (Teil II) 

 

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