Zu schnell gefahren? Falsch geparkt? Kein wirkliches Problem, solange einen niemand erwischt – so war das zumindest bisher. Allerdings könnte sich das auf sehr unangenehme Weise bald ändern, weil neueste Modelle das Fahrverhalten aufzeichnen und womöglich detailliert an die Herstellerfirma weiterleiten. Diese verkauft dann die Daten an Datenhändler weiter, deren Kunden wiederum unter anderem die KFZ-Versicherer sein können. Die Versicherer verwenden dann die eben nicht anonymisierten Daten dann, um gegebenenfalls die Versicherungsbeiträge deutlich erhöhen zu können.
Solche Fälle wurden nun tatsächlich jüngst aus den Vereinigten Staaten von Amerika bekannt. Die New York Times (NYT) zitiert das Beispiel eines Autofahrers, der von seiner Versicherung eine Verteuerung des Versicherungstarifs um 21 Prozent erhielt. Als er nachfragte, warum das so sei, wurde auf den Bericht über ihn bei einem Datenhändler verwiesen. Daraufhin forderte er Einsicht in diesen Bericht, die ihm gewährt werden musste.
“Was er enthielt, verblüffte ihn: mehr als 130 Seiten, die jedes einzelne Mal verzeichneten, als er oder seine Frau den Bolt in den vergangenen sechs Monaten gefahren hatten. Darin standen die Daten von mehr als 640 Fahrten, Anfang und Ende, die gefahrene Entfernung und jede Geschwindigkeitsveränderung, jedes scharfe Bremsen oder jede starke Beschleunigung. Das einzige, was nicht enthalten war, waren die Ziele der Fahrten.”
Diese Details stammten vom Autohersteller General Motors. Der Datenhändler analysierte diese Daten, um daraus eine Risikobewertung zu gewinnen, die dann an acht verschiedene Versicherer verkauft wurde.
Die Kfz-Versicherungen hatten früher bereits versucht, Autofahrer davon zu überzeugen, sich freiwillig über eine App im Smartphone überwachen zu lassen, und dafür günstigere Tarife angeboten. Wirklich beliebt wurden diese Lock-Tarife bei den Versicherten aber nie. Mittlerweile sind die Fahrzeuge selbst vielfach ins Internet eingebunden. Und nach dem Bericht der NYT kommen die Aufzeichnungstechniken oft ohne explizite Einwilligung des Kunden zum Einsatz – mehr noch: teilweise werden die entsprechenden Programme bereits bei den Händlern ohne Wissen des Käufers aktiviert.
Zwei große internationale Datenhändler sammeln und verwerten solche Daten, die die Fahrzeughersteller sammeln: LexisNexis und Verisk Analytics. Bisher ist aus den USA bekannt, dass neben General Motors (GM) auch weitere wie Ford, Honda, Hyundai, Kia, Subaru und Mitsubishi entsprechende Verträge geschlossen haben. Allerdings gab es schon 2020 einen Bericht über einen entsprechenden Datenaustausch auch zwischen VW und LexisNexis, was nahelegt, dass auch andere deutsche Hersteller an diesem regen Datenhandel längst teilnehmen.
In einer ausführlichen Untersuchung zum Schutz der Privatsphäre beim Gebrauch von Autos, die im vergangenen September veröffentlicht wurde, waren es einzig noch die Marken Renault und Dacia, die ihren Kunden zusicherten, die Daten auf Wunsch zu löschen. Nissan dagegen sammelt sogar Daten in der Kategorie “sexuelle Aktivität”. Und sechs Fahrzeughersteller gaben an, “genetische Informationen” zu sammeln. In dieser Untersuchung werden auch die deutschen Hersteller betrachtet. Verhältnismäßig gut schneidet dabei noch BMW ab, die übrigen deutschen Hersteller werden beim Datenschutz nicht besser bewertet als GM oder Honda.
Natürlich lassen sich die Berichte aus den USA nicht ohne weiteres gänzlich auf Deutschland übertragen, da dem hierzulande ein anderes Datenschutzrecht zugrunde liegt. Aber zu überprüfen, ob diese Zustände auch hier zu finden sind, wäre wohl angebracht.
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