Von Olga Samofalowa
Am gestrigen Handelstag verzeichnete der japanische Nikkei-Index einen dramatischen Rückgang von 12,4 Prozent, den stärksten Einbruch seit 1987. In der Folge gerieten auch die asiatischen Märkte in Taiwan, Hongkong und Istanbul unter Druck, und die europäischen Börsen erlebten ebenso massive Einbußen. Auslöser dieser globalen Marktkrise waren mehrere Ereignisse, die ihren Anfang letzte Woche in den USA nahmen.
“Die weltweiten Börsen begannen ihren Fall, nachdem am Freitag schwache US-Arbeitsmarktdaten bekannt wurden, welche die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA erhöhten. Hinzu kam ein dramatischer Kurseinbruch der Intel-Aktien um 32 Prozent am Ende der letzten Woche, verursacht durch enttäuschende Quartalszahlen. Zudem wurde bekannt, dass Warren Buffett, ein Hauptaktionär von Apple, umfangreiche Aktienanteile verkauft hatte. Eine zusätzliche Belastung war die unerwartete Anhebung des Hauptrefinanzierungssatzes in Japan, wodurch Investoren begannen, japansche Aktiva abzustoßen”, erläutert Wladimir Tschernow, Analyst bei Freedom Finance Global.
In den USA haben die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Insolvenzanträge deutlich zugenommen, während die Federal Reserve den Zinssatz in den letzten acht Sitzungen unverändert gelassen hat.
“Nahezu zeitgleich mit den Rezessionsängsten in den USA erhöhte die Bank von Japan unerwartet den Leitzins, was insbesondere für japanische Exporteure schwerwiegende Folgen hatte. Der starke Rückgang des Nikkei-Indexes löste einen Dominoeffekt aus, der auch die europäischen und türkischen Börsen sowie den Moskauer Börsenindex traf, dessen Verluste jedoch moderater waren”, erklärt Alexander Bachtin, Investmentstratege bei BKS Investment World.
“Darüber hinaus spielt Spekulation eine große Rolle beim Börsencrash, da der VIX-Index, auch als Angstindex bekannt, ein Vierjahreshoch erreicht hat, vergleichbar mit den Anfangstagen der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020”, fügt Tschernow hinzu.
Die zentrale Frage ist nun, welche langfristigen Folgen dieser Einbruch haben wird. Ist es eine kurzfristige Korrektur oder stehen wir am Beginn einer umfassenden globalen Finanzkrise?
Der VIX-Index, ein wichtiger Indikator für Marktschwankungen, ist kürzlich auf 37 gestiegen, fast dreimal so hoch wie Mitte Juli. “Ein ähnlicher Anstieg des VIX wurde während der europäischen Schuldenkrise 2011 sowie den Finanzkrisen 2008 und 2020 beobachtet”, bemerkt Alexander Potawin, Analyst bei der Finanzgruppe Finam.
Heute steht der VIX-Index auf einem dreifach erhöhten Niveau, während der Nasdaq-100-Börsenindex um fast 17 Prozent gefallen ist, der japanische Yen hat sich als sicherer Hafen um zwölf Prozent aufgewertet, und der Dollar-Index ist um 2,5 Prozent gefallen.
“Der letzte signifikante Anstieg des Volatilitätsindex fand im März 2020 statt, auf dem Höhepunkt der globalen Pandemie. Damals erreichte der VIX-Index 80 Punkte. Es ist eine entscheidende Woche für die globalen Finanzmärkte. Entweder erleben wir nur eine kurze Phase der Risikoaversion oder den Beginn eines längerfristigen Abwärtstrends”, so Potawin weiter.
“Der vorausschauendste Investor scheint Warren Buffett gewesen zu sein, der das Bargeld in seinen Portfolios am Ende des Quartals erhöht hat – eine Grundregel in Krisenzeiten.”
Berkshire Hathaways Bargeldreserven haben mit 277 Milliarden US-Dollar einen neuen Höchststand erreicht, nachdem Buffett Apple-Aktien im Wert von 76 Milliarden US-Dollar verkauft hatte.
Experten sind optimistisch, dass weltweite Zentralbanken eingreifen und eine Ausweitung der Krise verhindern werden. Vor allem erwartet man eine dringliche Sitzung der Federal Reserve zur Zinssenkung, um die Finanzmärkte zu stabilisieren. Austan Goolsbee, Präsident der Federal Reserve von Chicago, versichert, dass auf Anzeichen von Wirtschaftsschwäche mit Zinssenkungen reagiert wird.”
“Es ist unwahrscheinlich, dass es zu einer globalen Finanzkrise kommt, doch könnten die aktuellen Probleme einige Schwachstellen im Finanzsystem bestimmter Länder oder Institutionen verschärfen. Alle Länder haben ihre spezifischen Probleme, wie hohe Schuldenlasten oder Bankenprobleme. Wie sensibel bestimmte Wirtschaftssektoren auf externe Schocks reagieren, ist jedoch ungewiss”, erklärt Xenia Bondarenko, Dozentin für Weltwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft.
Zur Vermeidung einer neuen Weltfinanzkrise müssen die Schulden reduziert und geopolitische Spannungen gelöst werden. In Krisenzeiten greifen die G7-Länder meist auf quantitative Lockerungsmaßnahmen zurück, ergänzt Bondarenko.
Die Turbulenzen an den Weltbörsen beeinflussten auch den Moskauer Börsenindex, dessen Rückgang jedoch mit 2,6 Prozent moderat ausfiel. “Obwohl unser Markt im Jahr 2022 von westlichem Kapital isoliert wurde, ist er immer noch von globalen Geschehnissen abhängig, insbesondere durch die Rohstoffpreise, deren Sinken negative Auswirkungen für unsere Rohstoffexporteure hat”, erklärt Natalia Malych, Leiterin der Aktienanalyse bei der Finanzgruppe Finam. Der Ölpreis ist auf 76 US-Dollar pro Barrel gefallen.
“Der Rubelkurs führt weiterhin ein eigenständiges Leben; der außerbörsliche russische Markt ist ziemlich undurchsichtig geworden”, führt Potawin aus. Der Dollarkurs fiel auf 84,8 Rubel.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien erstmals am 6. August 2024 auf der Webseite der Zeitung Vsglyad.
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