Wiederholte Doppelmoral: Westliche Politik und die venezolanische Wahlproblematik

Von Dagmar Henn

Die Geschichte um Juan Guaidó ist weitgehend bekannt. Einige westliche Staaten hatten ihn zeitweise als legitimen Präsidenten Venezuelas behandelt. Diese Haltung änderte sich, als die USA Sanktionen gegen russisches Öl einführten und bemerkten, dass nur venezolanisches Öl die eigenen Raffinerien ersetzen konnte – jenes Öl, für das diese ursprünglich konzipiert waren.

Trotzdem scheint der Westen diese Strategie des Regimewechsels erneut zu bemühen. Es wurden große Ölreserven freigesetzt, um den Benzinpreis niedrig zu halten, da Stehlen offenbar günstiger ist als Kaufen. Doch etwas an dieser neuerlichen Geschichte fühlt sich nicht stimmig an, und es bleibt die Frage, wie man diese Erzählung diesmal akzeptieren soll.

Allerdings ist die Situation in Venezuela nicht radikal unterschiedlich, auch wenn sich das Land trotz anhaltender Sanktionen ökonomisch etwas erholt hat. Was sich geändert hat, ist die globale politische Landschaft.

Nehmen wir die letzten Präsidentschaftswahlen in Venezuela von 2018. Seitdem hat sich viel ereignet, wie die US-Präsidentschaftswahlen 2020, die wider Erwarten Joe Biden gewann. Diese Wahlen waren besonders durch die pandemiebedingt vermehrte Briefwahl geprägt. Die Liste der Vorwürfe gegen den Wahlprozess ist lang, doch in den deutschen Medien fand dies wenig Echo. Wer sich mit Wahlsystemen auskennt, weiß um die Anfälligkeiten der Briefwahl bezüglich Manipulationen.

Betrachtet man die Dauer der Stimmenauszählung in den USA 2020, so könnte man auf ähnliche Weise die Legitimität der venezolanischen Wahlen infrage stellen. Ähnlich verzögerte Ergebnisübermittlungen gab es bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin.

Die Lage der Demokratie im Westen entwickelt sich indessen wie ein in der Sonne liegender Camembert – sie beginnt unangenehm zu riechen. Besonders die ungewählte EU-Kommission hat sich mehr und mehr als eine autoritäre Macht etabliert. Jede Abweichung von der Linie wird streng sanktioniert. Unvorhergesehene demokratische Regungen werden stark zensiert.

Die Situation in der Ukraine wird trotz nationalistisch geprägter Politik als leuchtendes Beispiel der Demokratie dargestellt, weil sie geopolitisch gegen Russland positioniert ist. In den USA sieht man nach den Wahlen 2020 rechtliche Angriffe gegen Donald Trump, die einer willkürlichen Bananenrepublik ähneln könnten. Sein Anwesen wurde durchsucht wegen Dokumenten, deren Geheimhaltung er aufgehoben hatte – ein scharfer Kontrast zu den nicht gerügten Vorfällen um Joe Biden.

Zudem findet momentan ein Versuch innerhalb der Demokratischen Partei statt, den demokratischen Prozess, insbesondere die Vorwahlen, zu umgehen. Dies könnte die politische Zukunft der USA prägen, indem es den Auswahlprozess der Kandidaten beschränkt und so ein unfaires Wahlsystem schafft.

All diese bedenklichen Entwicklungen in westlichen Demokratien setzen den Vorwurf des Wahlbetrugs in Venezuela in eine ironische Perspektive. Wie kann der Westen glaubwürdig Wahlmanipulation anprangern, während der eigene politische Prozess zunehmend fragwürdig erscheint? Zudem hat auch der Deutsche Bundestag angekündigt, eine vom Verfassungsgericht geforderte Korrektur des Wahlrechts auf die nächste Legislaturperiode zu verschieben.

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