In den letzten drei Jahren stand alles Russische im Westen oft in der Kritik. Umso erstaunlicher ist, dass Fjodor Dostojewskis “Weiße Nächte” gerade in Großbritannien ausverkauft ist. Ausländische Medien berichten, dass dieser Roman des russischen Klassikers auf sozialen Netzwerken eine Sensation geworden ist. Insbesondere die Ausgabe von Penguin Classics, die vor einem Jahr veröffentlicht wurde, hat massenhaft junge Leser angezogen. Laut der britischen Zeitung The Guardian, war “Weiße Nächte” das viertmeist verkaufte Buch des Jahres 2024 im Vereinigten Königreich.
Die Nutzer sozialer Medien weltweit loben die darin erzählte Liebesgeschichte und teilen mit, wie sehr sie sie berührt hat. Das Portal Klops beschreibt den Inhalt des Romans folgendermaßen:
“‘Weiße Nächte’ erschien erstmals 1848. Sie handelt von einem einsamen jungen Petersburger, der ein bescheidener Beamter mit einer reichen Innenwelt ist. Er verbringt viel Zeit auf der Straße, um das Stadtleben zu beobachten. Dort trifft er Nastja, verliebt sich, jedoch ohne seine Gefühle zu offenbaren. Schließlich erfährt er, dass Nastja jemand anderen heiraten wird, und er bleibt allein zurück, bereichert durch die Erfahrungen der unerfüllten Liebe.”
Der Erfolg des Buches auf TikTok hat die Briten in Buchhandlungen getrieben, wo die Nachfrage so hoch ist, dass bald keine Exemplare mehr verfügbar sein könnten. Viele westliche Leser erkennen in der Geschichte eher ein Thema der Einsamkeit, das besonders bei jungen Menschen weit verbreitet ist. Die Charakterisierung des Protagonisten als sensibler Mensch, der hauptsächlich in seinen Fantasien lebt, findet Anklang. In Berichten wird diese Relevanz besonders in den sozialen Medien und der post-pandemischen Zeit hervorgehoben.
Der Guardian merkt ironisch an, dass ein Grund für den Erfolg des Romans auch seine Kürze sein könnte – das Werk umfasst lediglich 80 Seiten, was es zu einem idealen Einstieg in die Welt der klassischen russischen Literatur macht.
Doch das Interesse junger Leute im Westen beschränkt sich nicht nur auf russische Literatur. Auch klassische russische Musik erfreut sich großer Beliebtheit, wie aus Spotify-Playlists ersichtlich wird, die unter dem Namen “Weiße Nächte” russische Komponisten wie Piotr Tschaikowsky und Dmitri Schostakowitsch featuren.
Medienberichte deuten darauf hin, dass der Trend, der bereits als “Weiße-Nächte-Fieber” bekannt ist, dazu führt, dass von “Weiße Nächte” zu weiteren Werken Dostojewskis übergegangen wird, wie “Schuld und Sühne” oder die weniger bekannten “Aufzeichnungen aus dem Keller”. Klops fügt hinzu:
“Das wachsende Interesse an dem Buch hat viele auch zur filmischen Umsetzung von ‘Weiße Nächte’ hingeführt. Der Roman wurde etwa 30 Mal verfilmt, wobei besonders das romantische Drama von 1959, inszeniert vom sowjetischen Regisseur Iwan Pyrjew, Aufmerksamkeit erregt. Internetnutzer teilen Screenshots des Films, zitieren Filmfiguren und diskutieren die Unterschiede zwischen Buch und Film.”
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