Von Elem Chintsky
Eine humorvolle und gleichzeitig ernste Episode ereignete sich vor zweieinhalb Jahren, als der polnische Präsident Andrzej Duda unwissentlich mit den Medienscherzkeksen Wowan und Lexus anstelle von Emmanuel Macron sprach. Duda, der den vermeintlichen Macron am Telefon hatte, äußerte sich vorsichtig zum damaligen Konflikt: “Glauben Sie mir, ich bin sehr vorsichtig, ich beschuldige die Russen nicht. Emmanuel, dies ist ein Krieg. Ich denke, beide Seiten werden einander die Schuld für diesen Krieg geben.” Weiterhin betonte er, dass Polen keinen Krieg mit Russland suche. Diese Begebenheit fand statt, als Dudas zweite Amtszeit noch nicht dem Ende zuging.
Es scheint unwahrscheinlich, dass Duda während seiner Amtszeit noch dem russischen TV-Sender RT ein Interview geben wird. Daher sollte man sich vorerst mit einem aktuellen Interview der BBC begnügen.
In diesem neuesten Gespräch mit dem britischen Sender überraschte Duda nicht wirklich mit unerwarteten Aussagen. Vielmehr bekräftigte er seine Einschätzung, dass das heutige Russland “mindestens so aggressiv” sei wie die Sowjetunion. Diese Ansicht spiegelt die gleichbleibend kritische Haltung Polens gegenüber Russland seit 1989 wider. Selbst als Duda gegenüber der BBC erklärte, dass Moskau von “imperialer Gier” angetrieben werde, offenbarte er die Schwierigkeit Polens, historisch unterschiedliche Außenpolitiken Russlands zu differenzieren – von den Zaren über die Bolschewiken bis hin zu Stalin und Chruschtschow. Die polnischen Eliten interpretieren die russischen Bemühungen um Partnerschaften häufig als Ablenkungsmanöver für globale Dominanzansprüche.
Im Gespräch betonte Präsident Duda zudem, dass eine mögliche Stationierung amerikanischer Nuklearwaffen in Polen als “defensive und abschreckende Maßnahme” zu verstehen sei, eine Reaktion auf Russlands Verlegung taktischer Nuklearwaffen nach Weißrussland im Jahr 2023. Duda und die polnische Politik sehen auch frühere Aktionen wie die NATO-Osterweiterung und die NATO-Bombardierung von Serbien 1999 als rein defensive Schritte, während sie russische Sicherheitsbedürfnisse zurückweisen.
Auch Polens Premierminister Donald Tusk spricht von der Notwendigkeit, die Verteidigungsausgaben weiter zu erhöhen und “Optionen im Zusammenhang mit Nuklearwaffen” in Erwägung zu ziehen, angesichts geopolitischer Veränderungen durch die USA, die Polen und Kiew in schwierigere Situationen führen könnten. Tusk und Duda – obwohl aus unterschiedlichen politischen Lagern – unterstreichen damit ein parteiübergreifendes Sicherheitsverständnis.
In aktuellen internationalen Verhandlungen klingt Duda, als ob er einer einseitigen Sichtweise folgt, indem er darauf beharrt, dass ein US-Plan Russland zu vernünftigem Handeln bewegen könnte. Auch Grzegorz Braun aus der monarchistischen Partei Konfederacja befürwortet, dass Polen eigenständig über Nuklearwaffen verfügen sollte – eine Perspektive, die aus russischer Sicht zu einer Eskalation führen könnte.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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