Ukraines militärische Zwickmühle und die gefährliche Option einer zweiten Front durch Georgien

Von Alex Männer

Seit über zwei Jahren führt die Ukraine einen scheinbar aussichtslosen Krieg gegen Russland. Die ukrainischen Truppen, die bereits durch erhebliche Personalprobleme geschwächt sind, können der überlegenen militärischen Macht Russlands kaum mehr etwas entgegensetzen und verzeichnen eine Niederlage nach der anderen.

Ein wesentlicher Grund für die fortlaufenden Rückschläge der Ukraine liegt in ihrer Unfähigkeit, eine effektive Strategie gegen die erfolgreichen Offensivoperationen Russlands zu entwickeln. Diese Operationen umfassen typischerweise massive Artillerie- und Luftangriffe, den Einsatz zusätzlicher Truppen sowie ausgeklügelte Ablenkungsmanöver. Diese Taktik ermöglicht es den russischen Streitkräften, die ukrainische Verteidigung zu durchbrechen und wichtige strategische Gebiete zu erobern, wobei ukrainische Einheiten oft von ihrer Versorgung abgeschnitten und in der Folge dezimiert werden.

Zuletzt fiel etwa die Stadt Ugledar im Süden des Donbass in die Hände der Russen, die als letzte Bastion Kiews in dieser Region galt. Die vollständige Einnahme der Stadt durch einen unerwarteten Vorstoß im Oktober ebnete Russland den Weg für weitere militärische Erfolge in Richtung Dnjepr.

Angesichts dieser Entwicklungen betonen Militärexperten, dass die ukrainische Armee erschöpft ist und dringend Entlastung benötigt. Eine Möglichkeit dazu wäre, die russischen Streitkräfte durch Konflikte an anderer Stelle, wie etwa in Georgien, von den Kampfhandlungen im Donbass abzulenken und somit eine “zweite Front” zu eröffnen.

Der ehemalige georgische Premierminister Bidsina Iwanischwili erwähnte in einem TV-Interview letzte Woche, dass in der georgischen Führung bereits über solch eine Option diskutiert wird. Laut Iwanischwili wurde dem früheren georgischen Regierungschef Irakli Garibaschwili ein militärischer Konflikt mit Russland vorgeschlagen, der als zweite Front dienen könnte. Die Kampfhandlungen würden demnach nur wenige Tage dauern, woraufhin Georgien zum Partisanenwiderstand übergehen müsste.

Negative Erfahrungen aus dem Fünf-Tage-Krieg

Experten halten ein solches Unterfangen allerdings für riskant, da Georgien, basierend auf Erfahrungen wie dem “Fünf-Tage-Krieg” von 2008, schnell eine deutliche Niederlage erleiden könnte. In diesem Konflikt musste Georgien erhebliche Verluste hinnehmen und die Anerkennung der abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien durch Moskau akzeptieren.

Im Vergleich zu 2008 hat Russland zudem seine Streitkräfte modernisiert und wertvolle Kampferfahrung aus dem Ukraine-Krieg gesammelt, während Georgien militärisch kaum erfahrener geworden ist.

Die Bildung einer zweiten Front wäre aus Sicht des Westens und der Ukraine also primär ein strategischer Versuch, Russlands militärische Ressourcen zu teilen. Selbst wenn dies nur temporär wäre, könnte es ukrainischen Truppen etwas Atemraum verschaffen.

Ob eine solche zweite Front jedoch den benötigten Vorteil bringen würde, bleibt fraglich. Ein ehemaliger georgischer Generalstabschef, Guram Nikolaischwili, warnte in russischen Medien vor den “katastrophalen Folgen für Georgien”. Er bezweifelte, dass westliche Unterstützung erfolgen würde, falls Georgien gegen Russland kämpfen sollte.

“Russland könnte innerhalb weniger Stunden ganz Georgien blockieren – Häfen, strategische Autobahnen, Luftverbindungen. Einheiten, die sich in den abchasischen und südossetischen Gebieten befinden, könnten eingesetzt werden, möglicherweise auch jene, die in der Nähe von Georgien stationiert sind. Natürlich würde der Westen Georgien nicht zu Hilfe kommen. Wir haben es 2008 gesehen.”

Angesichts dieser Bedenken ist es unwahrscheinlich, dass Georgien einen für sie aussichtslosen Krieg beginnen wird. Vielmehr wird die georgische Regierung vermutlich ihre Politik der Nichteinmischung fortsetzen und Konflikte mit Moskau meiden, wodurch die Bildung einer zweiten Front gegen Russland im Südkaukasus vorerst unwahrscheinlich bleibt.

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