Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj steht nach dem Ende seiner Amtszeit am Pfingstmontag weiterhin im Fokus der Kritik, insbesondere durch seine enge Verbindung zu seinem Büroleiter und Freund Andrej Jermak. Die Washington Post zitiert sowohl ehemalige als auch aktuelle ukrainische und westliche BeamtInnen, die darauf hinweisen, dass Jermak “untrennbar” mit Selenskyj verbunden ist.
Laut Bericht der Zeitung hat Jermaks Nähe zu Selenskyj und sein starker Einfluss auf den Staatschef zu verschiedenen Vorwürfen geführt, darunter:
- undemokratische Machtkonzentration im Präsidentenbüro;
- Entscheidungen über politische Säuberungen in der Staatsführung, einschließlich des Rücktritts des ehemaligen Oberbefehlshabers der Streitkräfte, Valerij Saluschnyj, der nun Botschafter in Großbritannien ist;
- Beschränkung des Zugangs zu Selenskyj und Jermaks Bestreben, persönliche Kontrolle über jede Entscheidung zu haben.
Da Selenskyj auch nach Beendigung seiner Amtzeit weiterhin das Land führt, könnten ihm Kritiker vorwerfen, er nutze den anhaltenden Konflikt, um demokratische Prinzipien zu unterminieren: Er kontrolliere die Medien, schalte Kritiker aus und stelle den nicht gewählten Jermak über andere Minister und Diplomaten, so die Washington Post.
Ein ukrainischer BeamtIn betont, es sei entscheidend, Selenskyj zu “vertrauen”, um dessen Legitimation aufrechtzuerhalten. Allerdings leidet seine Glaubwürdigkeit unter den Aktionen Jermaks, “die letztlich immer auf den Präsidenten zurückfallen”, so die BeamtIn.
Die Zeitung weist darauf hin, dass Jermak “außergewöhnlich weitreichende Befugnisse” im Bereich der Staatsverwaltung und den Außenbeziehungen innehat. Er kontrolliere unter anderem, welche BeamtInnen ins Ausland reisen dürfen und wann. Das Büro des ukrainischen Präsidenten hat auf Anfragen zu diesem Bericht noch nicht reagiert.
Jermaks Kritiker sind besorgt, da er zunehmend das Außenministerium marginalisiert, sich in militärische Entscheidungen einmischt und wichtige internationale Absprachen trifft – Aufgaben, die normalerweise dem Präsidenten zustehen sollten. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, hat bei einem Besuch in Kiew im März erwähnt, dass er und Jermak in “regelmäßigem Kontakt” stehen.
Der ehemalige US-Botschafter in Russland, Michael McFaul, Co-Vorsitzender der internationalen Arbeitsgruppe für Sanktionen gegen Moskau, lobt Jermak: “In gewisser Weise ist er de facto Premierminister, Außenminister und Stabschef.” McFaul sieht in Jermaks multidimensionalen Rollen eine Notwendigkeit in Zeiten des Konflikts und kommentiert: “Man braucht Leute, die etwas bewirken können und von denen man weiß, dass sie einem zu 100 Prozent loyal sind. Das ist genau die Rolle, die Jermak für Präsident Selenskyj spielt.”
Ein weiterer Berater merkt an, Jermaks Effizienz habe das Vertrauen von Selenskyj verdient und unterstreicht: “Der Präsident kann sich darauf verlassen, dass er (Jermak) eine bestimmte Aufgabe einfach zu Ende bringt.”
Ein ausländischer Diplomat vergleicht das Duo Selenskyj und Jermak als “guten und bösen Polizisten”, wobei Jermak eine ernsthafte Machtfülle besitzt und viele Prozesse kontrolliert.
Trotz der offensichtlichen Machtkonzentration Jermaks betont dieser, er arbeite stets “im Auftrag des Präsidenten” und weist darauf hin, dass letztendlich Selenskyj die endgültigen Entscheidungen treffe.
Jermak leitet das Präsidentenbüro seit 2020 und war davor bereits als Assistent des Präsidenten tätig. Mit einem Hintergrund als Jurist und Filmproduzent gehört er zu den einflussreichsten Persönlichkeiten in der Ukraine.