Die umstrittene Unterdrückung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche durch staatliche Eingriffe

Von Anton Gentzen

Für Menschen, die sich nicht eingehend mit der Materie beschäftigt haben, mag die gegenwärtige Tragödie um das Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) schwer nachvollziehbar sein. Atheisten und Agnostiker könnten leichtfertig argumentieren: “Warum wechseln sie nicht einfach zur ukrainischen Nationalkirche? Was macht es schon aus?”

Zweifellos erscheinen die Riten ähnlich wie jene, die in der von Petro Poroschenko 2019 ins Leben gerufenen “Orthodoxen Kirche der Ukraine” praktiziert werden. Die Priester tragen dieselbe Kleidung, und das Gebet richtet sich an denselben Gott – zumindest oberflächlich betrachtet.

Jedoch sieht ein gläubiger Christ die Situation ganz anders. Im Glaubensbekenntnis bekräftigt er jeden Sonntag – und das seit weit über tausend Jahren wie viele Generationen vor ihm – seinen Glauben an “die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche”. Die Betonung liegt, besonders in diesem Kontext, auf “die eine”.

In der orthodoxen Glaubenswelt ist nur jene Kirche heilbringend, die in direkter, ununterbrochener Abfolge auf die von Christus gegründete Kirche zurückgeht. Eine Abspaltung ohne die Zustimmung des obersten Kirchenoberhaupts ist fast einem sakralen Verrat gleichzusetzen. Der so entstehende “Baum” wächst auf vergiftetem Boden und bringt vergiftete Früchte hervor – es sei denn, die Neugründung erfolgt in Übereinstimmung mit der Ursprungskirche und ist von dieser gesegnet.

Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche wird unbestreitbar als kanonisch anerkannt. Selbst jene, die sie heute bedrängen, zweifelten vor wenigen Jahren nicht an ihrer Legitimität. Bartholomäus I., der Patriarch von Konstantinopel (was in kirchlichen Angelegenheiten immer noch der Name für Istanbul ist), unterstützte 2019 zwar die Gründung von Poroschenkos Kirche, mischte sich damit aber rechtswidrig in Belange ein, die ausschließlich dem Moskauer Patriarchen vorbehalten sind. Noch 2013 reiste er nach Kiew, um die Kirchenführer der UOK zu besuchen und verkündete öffentlich, er erkenne nur diese eine Kirche in der Ukraine an – die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats. Diese Erklärung existiert als Videoaufnahme bis heute auf YouTube.

Sechs Jahre später wandte er sich hinterhältig von denselben Glaubensbrüdern ab. Was hat den türkischen Staatsbürger dazu bewogen, sein zuvor gegebenes heiliges Wort zu brechen?

Unabhängig von den möglichen weltlichen Gründen, wie geopolitischen Konflikten oder dem Druck externer Mächte, gibt es keinen religiösen, kanonischen oder dogmatischen Grund, der die UOK ihrer Legitimität berauben könnte.

Selbst die orthodoxe Kirche kennt keinen Papst. Der Patriarch von Istanbul ist gemäß allen anerkannten Glaubensaxiomen lediglich “primus inter pares”, der Erste unter Gleichen. Er hat keine Befugnis, sich in innerkirchliche Angelegenheiten anderer Weltkirchen einzumischen, und seine organisationellen Befugnisse beschränken sich auf seine eigene Region. Um diesen offensichtlichen Mangel an Zuständigkeit zu umgehen, erfand Bartholomäus I. 2018 die Möglichkeit, frühere Unabhängigkeitserklärungen rückgängig zu machen. Ein abwegiges Argument, denn eine einmal unabhängige Kirche entwickelt ein Eigenleben, das durch ihren “Geburtshelfer” nicht mehr beeinträchtigt werden darf.

Es spricht für die Weltorthodoxie, dass die Mehrheit der orthodoxen Weltkirchen die Handlungen von Bartholomäus und seine ukrainische Abspaltung bis heute nicht anerkannt hat. Nur vier der 14 oder 15 orthodoxen Weltkirchen haben sich dieser Entscheidung gebeugt.

Vor allem die ukrainischen Gläubigen selbst haben diese Neugründung und die “Loslösung von Moskau” nicht anerkannt. Die wenigen Bischöfe und Priester, die zur Neugründung wechselten, zeigen die geringe Akzeptanz. Bilder zeigen, dass UOK-treue Kirchen überfüllt sind, während die neuen Gotteshäuser nur wenige Gläubige anziehen.

Welche Kirche also repräsentiert in der Ukraine „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“? Die Antwort liegt auf der Hand: Es ist und bleibt jene Kirche, die seit Jahrhunderten dort aktiv ist und deren Heilige weltweit respektiert werden.

Folglich ist es eine klare Verletzung der Gewissens- und Religionsfreiheit, die in allen weltlichen Menschenrechtserklärungen verankert ist, den Gläubigen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche ihre Kirche zu entziehen und sie in eine andere zu zwingen. Dies stellt eine himmelschreiende Ungerechtigkeit dar, welche die weltlichen Argumente um die Ukraine nicht korrigieren können. Amen.

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