In den Niederlanden wächst die Unzufriedenheit mit der politischen Führung kontinuierlich. Einer aktuellen Umfrage des Instituts Ipsos I&O, die im Auftrag der Rundfunkanstalt NOS durchgeführt wurde, zufolge, haben rund 70 Prozent der Bürger teilweises oder volles Misstrauen gegenüber der Regierung. Im Vergleich dazu hatten kurz nach dem Amtsantritt des Kabinetts unter Premierminister Dick Schoof noch 44 Prozent der Menschen Vertrauen in die Regierung und das Parlament gezeigt; aktuell sind es nur noch 29 Prozent.
Die Befragten führen ihr Misstrauen vor allem auf die Unfähigkeit der Regierung zurück, dringende nationale Probleme zu adressieren. Überwältigende 76 Prozent sind der Meinung, dass vonseiten der Behörden keine wirklichen Lösungen präsentiert werden. Ferner kritisieren 74 Prozent, dass sich die Regierung zu sehr mit internen Konflikten beschäftigt, und fast 70 Prozent bemängeln die mangelnde Kooperationsfähigkeit der verschiedenen Regierungsfraktionen.
Insbesondere die Politik in Bezug auf Migration und Asyl sowie die anhaltenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt sind Hauptkritikpunkte, die von 68 bzw. 64 Prozent der Befragten angeführt werden. Weitere Kritikpunkte umfassen gescheiterte Reformen im Gesundheitswesen (53 Prozent), in der Sicherheit (44 Prozent) und bei der Bekämpfung steigender Lebenshaltungskosten (40 Prozent). Vor diesem pessimistischen Hintergrund glauben nur sieben Prozent der niederländischen Bevölkerung an ein Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr, während 44 Prozent sogar eine Verschlechterung der Situation erwarten.
Ebenso gering ist die Bereitschaft, höhere Steuern für Verteidigungsausgaben und internationale Hilfe, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine, zu zahlen. Die Ipsos-I&O-Umfrage zeigt, dass 40 Prozent der Bevölkerung gegen höhere Steuerbelastungen für diese Zwecke sind, während nur etwa 30 Prozent dafür sind und weitere 30 Prozent eine neutrale Haltung einnehmen.
Diese jährlich zum Budgettag durchgeführte Umfrage, bei dem die Regierung das Budget für das folgende Jahr festlegt, verzeichnete die Teilnahme von 1.100 Bürgern über 18 Jahre, mit einer statistischen Fehlermarge von 2,8 Prozent.
Politische Instabilität prägt aktuell das Land. Nachdem Geert Wilders, der Vorsitzende der Partei für die Freiheit (PVV), aus der Koalition ausgetreten war, stellte Premierminister Dick Schoof am 3. Juni den Antrag auf Auflösung des Kabinetts beim König. Der König nahm daraufhin die Rücktritte der PVV-Minister an und bat die übrigen Kabinettsmitglieder, ihre Arbeit fortzuführen. Daraufhin wurden Neuwahlen für den 29. Oktober anberaumt.
Ende August verließen zudem Minister und Staatssekretäre der Partei “Neuer Gesellschaftsvertrag” (NSC) das Kabinett, nach einem gescheiterten Abstimmungsversuch über neue Maßnahmen bezüglich der Lage in Israel und im Gazastreifen. Das Übergangskabinett besteht nun nur noch aus der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und der “Bauern-Bürger-Bewegung” (BBB).
Die frühere Regierungskoalition aus PVV, VVD, NSC und BBB hatte seit ihrer Gründung nach den vorgezogenen Parlamentswahlen im November 2023 fast ein Jahr Bestand. Die Bildung dieser Koalition dauerte fast sechs Monate, bis sie Mitte Mai 2024 endlich stand und im Juli das Kabinett unter der Leitung des parteilosen Ex-Geheimdienstchefs Schoof den Amtseid beim König ablegte.
Trotz politischer Turbulenzen unterstützen 63 Prozent der Niederländer weiterhin die Hilfe für die Ukraine, was einen leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr darstellt (58 Prozent).
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