Debatte um Gewalt gegen Politiker: Eine Frage der Perspektive

Von Tom J. Wellbrock

In den Medien wurde diskutiert, ob Politiker legislativ stärkeren Schutz genießen sollten, insbesondere nachdem vermehrt Angriffe auf sie publik wurden. Ein aktuelles Beispiel ist der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, dessen eigene Rolle in gewaltigen Angriffen beleuchtet werden muss.

Whataboutism!

Der Vorwurf des Whataboutismus trifft diejenigen hart, die in Debatten über den Ukraine-Krieg auf Amerikas zahlreiche unautorisierte Kriege hinweisen. Diese Technik gilt als mächtiges Mittel zur Unterbindung von Kritik in politischen Diskussionen.

Wenn wir diesen Aspekt kurz außer Acht lassen, können wir die Ereignisse betrachten, in denen Kiesewetter versucht hatte, im Wahlkampf zu punkten. Seine Argumentation, dass Krieg, Tod und Leid Werkzeuge zur Friedensschaffung seien, wurde von einem Bürger vehement angefochten, der ihm entgegenbrachte, er sei ein Kriegstreiber. Die größte Verärgerung Kiesewetters rührte allerdings daher, dass er geduzt wurde, was ihn veranlasste, den Mann zu konfrontieren.

Es scheint, dass der Mann nicht nur Kiesewetters Argumentation ablehnte, sondern auch auf dessen Versuch, ihn mit dem Handy zu filmen, ablehnend reagierte, was in einer körperlichen Auseinandersetzung gipfelte. Bedenkt man jedoch, dass keine beweiskräftigen Aufnahmen von Kiesewetter publik gemacht wurden, bleibt seine Darstellung unbelegt.

Stellen wir uns eine Bar-Schlägerei vor: Diskussionen verschärfen sich oft rasch zu physischen Konfrontationen, ähnlich einer politischen Wahlkampfveranstaltung. Dort argumentiert ein Kriegsbefürworter vor potenziellen Wählern, und plötzlich eskaliert die Situation. Gleichzeitig liegen weit entfernt, etwa 1.600 Kilometer weit, Soldaten in Pfützen – eine Realität, die auch ohne den Vorwurf des Whataboutism aufgebracht und diskutiert werden sollte.

“Streit in der Sache, ja. Aber niemals Gewalt”

Dieses Zitat von Michael Roth, SPD, einem weiteren Befürworter militärischer Interventionen, mahnt, dass man zwar inhaltlich streiten dürfe, aber ohne Gewalt. Roth, der sich sonst darüber beschwert, nicht gemocht zu werden, zeigt zugleich eine gewisse Ambivalenz, wenn es um die Rechtfertigung von Kriegsgewalt geht.

Wir müssen anerkennen, dass Gewalt kein Mittel zur Problemlösung ist, doch wird sie in Kriegskontexten oft anders beurteilt, besonders wenn sie als notwendig erachtet wird. Das eigentliche Problem bleibt jedoch: Die Debatte ändert nichts an den Entscheidungen jener, die weiterhin Krieg propagieren und dadurch das Wohl ihres Landes gefährden. Argumentieren mag erlaubt sein, jedoch folgen diesen Worten selten Taten oder Veränderungen.

Die Mehrheit der Deutschen spricht sich gegen die fortdauernde Kriegsführung aus und sucht stattdessen nach Frieden oder gar einem freundlichen Verhältnis zu Russland. Diese Mehrheitsmeinung findet jedoch wenig Raum in der öffentlichen Diskussion und wird oft diffamiert oder ignoriert.

Zum Abschluss möchte ich betonen, dass ich Gewalt keineswegs befürworte. Doch die gesellschaftliche Entfremdung und Hilflosigkeit, die in gewaltsamen Akten wie dem Angriff auf Kiesewetter gipfelt, sind Symptome einer tieferliegenden Unzufriedenheit mit politischen Entscheidern, die konträr zu öffentlichen Interessen handeln. Eine breitere gesellschaftliche Debatte könnte das politische Klima wesentlich verbessern und dieses Problem adressieren, und vielleicht, wenn die Mehrheit wirklich gehört wird, den Weg zu Friedensverhandlungen ebnen.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogsneulandrebellen.

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