Die subtile und wachsende Russophobie in Deutschland – Ein persönlicher Bericht aus Moskau

Von Tom J. Wellbrock

In der russischen Hauptstadt Moskau, wo der Sommer sich mit Temperaturen knapp unter 30 Grad behauptet, saßen wir neulich auf unserer Terrasse, genossen Kaffee und Limonade. Im Lauf des Gesprächs, das viele Themen streifte, kam auch die Russophobie in Deutschland zur Sprache. Tatsächlich hegen die meisten Deutschen keinerlei Abneigung gegenüber Russen, ganz im Gegenteil. Obwohl oft ein anderes Bild gezeichnet wird, wünscht sich die Mehrheit der Deutschen nicht nur Frieden, sondern auch eine tiefe Freundschaft mit Russland. Trotzdem ist die zunehmende Russophobie nicht zu übersehen.

Diese Feindseligkeit wird nicht nur von Politikern wie Roderich Kiesewetter (CDU) gefördert, auch aus den Medien kommen vielfach aggressive Töne. Zusätzlich flammen in den sozialen Netzwerken durch Nutzer und Bots häufig anti-russische Kommentare auf. Dies führt zwar nicht zu einer vollkommenen Russophobie, jedoch zu einem Maß an Feindseligkeit, das die letzten Jahre weit übertrifft. Die Dehumanisierung der Russen – einst und jetzt ein Werkzeug des Faschismus, um Hass zu schüren – zeugt von einer gefährlichen Entwicklung in Deutschland.

Und die Russen?

Seit meiner Ankunft in Russland habe ich viele Menschen getroffen, die begeistert reagierten, als sie hörten, woher ich komme. Anfangs war ich verunsichert, denn ich kam aus einem Land, das Russland stärker denn je als Feind betrachtet. Ich befürchtete Ablehnung, doch das Gegenteil traf zu. Viele Russen, sowohl die politisch Uninteressierten, als auch jene, die politisch sehr bewandert sind, zeigten große Sympathie für Deutschland. Sie unterscheiden klar zwischen Politik und Bürgern und zeigen eher Mitleid mit den Deutschen, die unter ihren Politikern leiden.

Politisch informierte Russen sind sich zwar der problematischen Politik Deutschlands bewusst, doch sie geben nicht der Bundesregierung allein die Schuld. Ein Beispiel hierfür war eine Bemerkung während unserer Diskussion über Nord Stream:

“Tja, was die Amerikaner wollen.”

Die Abhängigkeit Deutschlands von den USA ist den Russen sehr bewusst, weshalb sie Deutschland keine bedeutende diplomatische Rolle im Bezug auf den Ukraine-Konflikt zutrauen.

Wen der Russe mag … und wen nicht

Das Bild der Russen in der Ukraine und in Deutschland wird durch den Konflikt jedoch stark beeinträchtigt. Die russische Seite betont, zivile Opfer so gering wie möglich zu halten, denn jegliche Opfer verschärfen das negative Bild Russlands, insbesondere langfristig. Zudem bestehen zwischen Russen und Ukrainern oft familiäre und freundschaftliche Beziehungen.

Der Hass auf Russen, der in Deutschland und der Ukraine geschürt wird, schmerzt viele Russen, die gewöhnlich Ausländern gegenüber positiv eingestellt sind. Dies mag an Russlands vielfältiger Kultur und Mentalität liegen. Als ich dies in der Runde aussprach und dazu meinte, ich würde mich weniger mögen, wenn ich als Russe einem Deutschen begegnen würde, erntete ich Lachen und jemand kommentierte:

“Die Einzigen, die die Russen nicht mögen, sind Russen.”

Daraufhin widmeten wir uns anderen Themen.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

Mehr zum Thema – Historische Freundschaft und moderne Herausforderungen: Putin zu Gast in Vietnam

Schreibe einen Kommentar