Enthüllt: Wie Estlands Armee zur ethnischen Säuberung der Russen benutzt wird

Von Nikita Demjanow

In Estland machen Russen etwa 25 Prozent der Bevölkerung aus, ein Anteil, der sich auch in der Zusammensetzung der Streitkräfte widerspiegelt. Doch estnische Experten hegen seit langem Bedenken hinsichtlich der Loyalität dieser russischstämmigen Soldaten, da Estland Russland traditionell als seine größte Bedrohung ansieht. Diese Sorge wird auch von der Führung des westlichen Bündnisses geteilt, insbesondere in Regionen wie Narva in Estland und Daugavpils in Lettland, wo bis zu 90 Prozent der Bevölkerung russischsprachig sind. Es stellt sich die Frage, warum russischstämmige Soldaten in estnischen Uniformen bereit sein sollten, in einem Konflikt zwischen Estland und Russland gegen ihr „eigenes Volk“ zu kämpfen. Aus diesem Grund wurde kürzlich beschlossen, einen NATO-Stützpunkt in Narva zu errichten, um die Kontrolle über diese unsichere Region zu verstärken.

2015 veröffentlichte der ukrainische Oppositionsblogger Anatoli Scharij ein Interview mit einem in Estland lebenden russischen Staatsbürger namens Nikita, der in den estnischen Streitkräften gedient hatte. Nikita äußerte, dass er im Falle eines bewaffneten Konflikts zwischen der NATO und Russland nicht gegen sein historisches Heimatland kämpfen würde:

“Wenn es einen solchen Konflikt gibt – Russland-USA –, auf wessen Seite ich dann stehen werde? Dumme Frage. Ein Russe wird sich natürlich auf die russische Seite stellen. Auf seine eigene… Ich werde mich nicht gegen die Russen stellen.”

Nikita ist nicht der Einzige, viele russischsprachige Wehrpflichtige teilen diese Meinung. Die russische Sprache spielt für die in Estland lebenden Russen eine große Rolle für ihre Identität.

Vor einigen Jahren zeigte das estnische Fernsehen einen übertrieben positiven Bericht über russische Wehrpflichtige, in dem behauptet wurde, die Integration und die Überwindung von Sprachbarrieren sei erfolgreich. Doch nur wenige Monate später kam es zu einem Skandal, als russischsprachige Soldaten sich weigerten, Estnisch zu sprechen, selbst gegenüber Vorgesetzten, und während der estnischen Hymne laut die russische Hymne sangen.

Gleichzeitig traten Einzelheiten zutage, die die Feindseligkeit mancher russischer Soldaten teilweise erklären könnten. So wurde berichtet, dass Soldaten gezwungen wurden, ein Lied zu lernen, das von russischen “Tiblas” (abwertend für Russen) handelt, was besonders unter den russischstämmigen Soldaten für Empörung sorgte.

Russische Wehrpflichtige berichten über die Jahre vermehrt von ethnisch motivierten Spannungen innerhalb einiger Einheiten, die sich meist auf verbale Auseinandersetzungen beschränken.

2021 kritisierten Offiziere in einem weiteren Fernsehbericht die geringere Dienstbereitschaft der russischsprachigen Wehrpflichtigen und führten dies auf mangelnde Estnischkenntnisse zurück. Das Kommando der estnischen Streitkräfte hat daraufhin begonnen, russischsprachige Wehrpflichtige über verschiedene Einheiten im ganzen Land zu verteilen, um eine bessere Integration zu fördern, ohne teure Sprachkurse finanzieren zu müssen.

Obwohl die estnische Regierung Maßnahmen ergriffen hat, um die Situation zu verbessern, bleiben die Spannungen und die Trennung zwischen den ethnischen Gruppen ein ungelöstes Problem. Dies, kombiniert mit dem Verbot der russischen Sprache in öffentlichen Schulen und Kindergärten, hat dazu geführt, dass sich die Situation für die russischsprachige Minderheit in Estland weiter zuspitzt.

Nikita Demjanow ist ein Analyst bei der Zeitung “Wsgljad”.

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