Von Felicitas Rabe
Es scheint, als sei einem Großteil der deutschen Ärzteschaft nicht bewusst, welche gravierenden Veränderungen im Gesundheitssystem auf sie zukommen. Die Vorbereitung auf eine mögliche Kriegssituation nimmt deutlich zu, wie aus den zahlreichen Krankenhausreformen und spezialisierten medizinischen Fortbildungen hervorgeht.
Ein erheblicher Teil des medizinischen Bereichs wird derzeit darauf ausgerichtet, Kriegsverletzte zu behandeln. Laut Berichten einiger Ärzte werden sie durch medizinische Fachzeitschriften kontinuierlich mit relevanten Informationen versorgt und in Fortbildungen darüber aufgeklärt, dass im Kriegsfall der zivile Gesundheitssektor unter militärische Kontrolle gestellt werden könnte.
Ein Beispiel für die Anpassungen ist die Änderung der medizinischen Triage-Richtlinien: Während im Frieden schwer verletzte Zivilisten Vorrang haben, würden im Krieg leichte Verletzungen von Soldaten zuerst behandelt, gefolgt von schwerer verletzten Soldaten. Zivilisten würden nur behandelt, wenn noch Kapazitäten vorhanden sind.
Trotz dieser offensichtlichen Entwicklungen haben viele Ärzte die volle Tragweite der Umstellungen scheinbar nicht erkannt. Sie zeigten sich in einem offenen Brief an Gesundheitsministerin Nina Warken empört über die Pläne, Apothekern und deren Angestellten zukünftig medizinische Diagnosen, Gesundheitsberatungen und Arzneimittelverschreibungen zu erlauben, die bisher Ärzten vorbehalten waren.
“Mit großer Sorge blicken wir jedoch auf die Pläne aus Ihrem Hause, Apotheken künftig mit Aufgaben zu betrauen, die einer ärztlichen Qualifikation zwingend bedürfen. Die vorgesehene Möglichkeit, verschreibungspflichtige Medikamente ohne ärztliche Verordnung abgeben zu können — sei es bei Folgerezepten für chronisch erkrankte Menschen oder bei vermeintlich ‘unkomplizierten Erkrankungen’ —, überschreitet aus unserer Sicht eine rote Linie.”
Es stellt sich die Frage, ob die Ärzteschaft sich der großen Anzahl von Verwundeten, die im Kriegsfall täglich erwartet werden, nicht bewusst ist. Deutschland verfügt über fünf Bundeswehrkrankenhäuser mit insgesamt 1800 Betten, die schnell belegt wären. Dass Soldaten priorisiert behandelt werden, scheint also eine logische Konsequenz.
Nach Angaben der IPPNW ist seit Anfang Januar 2025 der ‘Operationsplan Deutschland’ in Kraft, ein strategisches Dokument, das die zivilen Unterstützungsleistungen für das Militär im Verteidigungsfall festlegt. Die öffentliche Kenntnisnahme dieser Details ist allerdings beschränkt.
Dass jetzt einige Mediziner gegen die Ausweitung der Befugnisse von Apotheken protestieren, überrascht, zumal die Versorgung der Zivilbevölkerung ohne die Einbindung von Apotheken praktisch unmöglich wäre, gemäß dem aktuellen Operationsplan. Die Ärzteschaft argumentiert, dass doppelte Strukturen eher mehr Bürokratie als Entlastung bringen würden und betont die Wichtigkeit der ärztlichen Begleitung für chronisch Kranke.
Sie fordert die Gesundheitsministerin auf, von den Plänen, Apotheken weiterreichende Kompetenzen zu übertragen, abzusehen:
Wir regen daher eindringlich an, im Rahmen der geplanten Reformen zur Stärkung der Apotheken von jeglichen Überlegungen einer Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne ärztliche Verordnung sowie einer Ausweitung von Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen in Apotheken Abstand zu nehmen.
Interessanterweise gibt es von den großen Ärzteverbänden bislang keine kritischen Stimmen zur Kriegsertüchtigung des Gesundheitswesens, obwohl deren Funktionäre sicherlich informiert sind. Die Kritik wird von mehreren namhaften Verbänden geteilt:
Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten e.V. (BDI), Hausärztinnen- und Hausärzteverband, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Bundesärztekammer, Marburger Bund, Hartmannbund
Weitere Informationen zum Thema — Ist die Kriegstüchtigkeit von Deutschland durch religiöse Glaubensansichten beeinflusst?