Missverständnisse und Kriegsrhetorik: Die Debatte um Claudia Majors Äußerungen

Von Tom J. Wellbrock

Aufregung um einen YouTube-Beitrag führte zu einer direkten Antwort von Claudia Major, Mitglied der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), auf der Plattform “X”. Ihre scharfe Replik lautete: “RUSSLAND ANGREIFEN! Deutschland atmet das Jahr 1941”. Major stellte klar:

“Bitte hören Sie auf, Unwahrheiten zu erzählen. Ich fordere so etwas nicht. Lesen Sie den Text und hören Sie bitte auf, Unwahrheiten zu verbreiten.”

Aber was hatte so viel Trubel verursacht?

Der Auslöser scheint eine unglückliche Parallele in einem YouTube-Video zu sein, die Majors Äußerungen mit Hitlers Argumentation für den Angriff auf die damalige Sowjetunion verglich.

Russland angreifen? Nein, das war so nicht gemeint!

In einer Kolumne für das Handelsblatt, äußerte Major:

“So hart es klingt: Im Ernstfall müssen NATO-Staaten auch selbst angreifen können, etwa um russische Raketenkapazitäten auszuschalten, bevor diese NATO-Gebiet treffen können, und um russische Militärziele im Ernstfall zu zerstören, wie Kommandozentralen.”

Ihre vorherigen Erläuterungen unterstützten die Idee, amerikanische Langstreckenwaffen in Europa zu stationieren, was laut ihr essentiell für die Sicherheit Europas sei. Der oben zitierte Satz löste online große Irritationen aus, weil einige annahmen, er impliziere eine Befürwortung eines Angriffs auf Russland.

Major und ihre Unterstützer sehen das natürlich anders. Sie argumentieren, dass in Majors Szenario Deutschland bereits von Russland angegriffen wurde und somit lediglich Gegenschläge erwäge. Die Diskussion um einen “präventiven Angriff”, den Major nie explizit erwähnte, gewann schnell an Popularität.

Auf “X” erklärte ein Nutzer namens “U.M.” freundlicherweise, was hinter Majors Aussage stecke:

“Der Kern des Missverständnisses liegt vielleicht in der Formulierung, dass ‘NATO-Staaten auch selbst angreifen können müssen’. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die NATO aggressiv gegen Russland vorzugehen beabsichtigt. Die Aussage bezieht sich darauf, dass solche Angriffe im Falle eines Krieges erlaubt sind, unabhängig davon, wer diesen begonnen hat.”

Der Ex-Journalist Joey Hoffmann scheint damit der eigentliche Interpret von Majors Aussagen zu sein. Sie selbst erklärte ihre Position folgendermaßen:

“Europäer lernen aus dem russischen Vorgehen in der Ukraine. Eine Lektion ist die Bedeutung von Waffen, die es ermöglichen, weit ins gegnerische Hinterland vorzudringen, um den Nachschub zu unterbrechen. Die Fähigkeit, aus der Distanz zuschlagen zu können, ist entscheidend für Abschreckung und Verteidigung. Flugabwehrsysteme allein reichen nicht aus, um NATO-Territorium zu schützen. So hart es klingt: Im Kriegsfall müssen NATO-Staaten in der Lage sein, selbst präventive Angriffe durchzuführen, um Bedrohungen proaktiv zu neutralisieren.”

Major scheint also zu implizieren, dass die NATO notfalls selbst angreifen müsste, was Hoffmann als Verteidigung im Bündnisfall auslegt.

Ein Erstschlag als letztes Mittel?

Hoffmanns Analyse spiegelt jedoch die Richtigkeit der Missverständnisse rund um Majors Aussagen wider. Sie beleuchtet das mögliche Szenario eines präventiven Erstschlages. Doch Major weist solche Interpretationen vehement zurück.

Major selbst gehört zur SWP, die durch den Deutschen Bundestag finanziell unterstützt wird. Diese Tatsache verleiht ihr eine gewisse staatliche Rückendeckung, die ihre Positionen möglicherweise beeinflussen könnte.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen

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