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Von Astrid Sigena

Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Bereits um 9 Uhr morgens erreichten die Soldaten das Lager Monowitz und um 14 Uhr betraten sie Auschwitz-Birkenau. Dieser Ort, an dem die Nationalsozialisten über eine Million Menschen ermordet hatten, sollte zu einem dauerhaften Symbol für den Holocaust, die systematische Auslöschung von sechs Millionen europäischer Juden, werden.

Bis zu ihrem Abzug hatten die Nationalsozialisten versucht, alle Beweise ihrer Grausamkeiten zu beseitigen. Die Asche der in Auschwitz ermordeten, vergasten oder verhungerten Menschen war eines der wenigen Überbleibsel. Die Nazis hatten fast alle Zeugen eliminiert, Akten vernichtet und die Krematorien gesprengt. Zehntausende noch arbeitsfähige Häftlinge wurden auf den berüchtigten Todesmärschen nach Westen geschickt.

Einige tausend schwer kranke und nicht mehr gehfähige Gefangene wurden im Lager zurückgelassen. Die Nationalsozialisten hatten wohl keine Zeit mehr gehabt oder darauf spekuliert, dass Hunger und Kälte die Überbleibenden töten würden. Es war kalt in Auschwitz während der Tage der Befreiung, und es hatte geschneit.

Die Annäherung der Front und das stetige Geschützfeuer trieben schließlich SS und Wehrmacht in die Flucht. Die Hartnäckigkeit der nationalsozialistischen Mordbemühungen zeigte sich durch die Minen, die die Sowjets erst beseitigen mussten, um das Lager Monowitz zu betreten.

Die Führung der Roten Armee konnte sich kaum vorstellen, dass der Akt ihrer Befreiung Jahre später angezweifelt werden könnte. Es ist wahrscheinlicher, dass sie trotz der Vertuschungsversuche der SS die Signifikanz von Auschwitz als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit frühzeitig erkannte. Deshalb schickte sie sofort am Tag der Befreiung ein Team, angeführt vom Kameramann Alexander Woronzow, nach Auschwitz. (Die Filme von Alexander Woronzow sind hier und hier einsehbar.)

Unter schwierigen Bedingungen ohne die Möglichkeit für Tonaufnahmen und anfangs mit Problemen bei der Beleuchtung, blieben Woronzow und seine Kollegen bis in den Februar in Auschwitz. Der Dokumentarfilm “Die Befreiung von Auschwitz” von Irmgard von zur Mühlen zeigt nicht nur vollständig die Aufnahmen des sowjetischen Teams, sondern lässt auch Alexander Woronzow zu Wort kommen.

Auch konnte Woronzow die sogenannten “gestellten Aufnahmen” rechtfertigen, die ihm später zum Vorwurf gemacht wurden. Er hatte einige Wochen nach der Befreiung ehemalige weibliche Häftlinge gebeten, die überfüllten Bedingungen in den Baracken nachzustellen. Diese Frauen waren körperlich noch relativ gesund, da sie erst seit August 1944 inhaftiert waren. Von anderen Gefangenen, die länger in Auschwitz gelitten hatten, hatte man eine solche Bitte nicht mehr verlangen können.

Die Befreiten hatten sich nach einigen Wochen soweit erholt, dass auch Szenen der Befreiung nachgespielt werden konnten. Allerdings wurde nicht die tatsächliche Situation nachgestellt, sondern eine ideale, wie sie sich beide Seiten, Befreier und Befreite, gewünscht hätten: jubelnde Gefangene hinter Stacheldrahtzäunen, die ihre Mützen schwenkten.

Leider war die Realität anders. Viele Häftlinge waren zu schwach, um Freude empfinden zu können, und auch die sowjetischen Soldaten waren durch den Anblick des Elends kaum zu Freude fähig. Man entschied sich, diese Filmsequenzen nicht in den sowjetischen Wochenschauen zu zeigen. Andere Szenen zeigten polnische Zwangsarbeiter, die noch relativ kräftig waren und nach der Prüfung ihrer Papiere nach Hause zurückkehren konnten.

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2020 die Leistung von Alexander Woronzow und seinen Kameraden würdigte, erklärte er:

“Es sind seine Bilder, die wir kennen als die ersten Bilder nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Bilder von Kindern, die dem Kameramann ihre Arme entgegenstrecken, um ihm die eintätowierten Nummern zu zeigen, die sie als Häftlinge ausweisen: Schicksalslose, mit Materialnummern versehen, Brandzeichen einer versuchten Entmenschlichung. Es sind Bilder grenzenlosen Grauens, Bilder eines deutschen Verbrechens. Als Alexander Woronzow Jahrzehnte später von dem sprach, was er an diesem Tag durch das Objektiv seiner Kamera gesehen hatte, sagte er: ‘Über diese Erinnerung hat die Zeit keine Macht.'”

Die sowjetischen Soldaten, die Auschwitz erreichten, fanden dort erschütternde Szenen vor. Tod, eine Pyramide von Schuhen, Kleidungsstücken und persönlichen Gegenständen, die die Juden vor ihrem Tod abgeben mussten, sowie die schneebedeckten Leichen derer, die den Schrecken nicht überlebt hatten, empfingen sie. Die sowjetischen Gerichtsmediziner und Ärzte untersuchten die Todesursachen und dokumentierten die Folterungen, denen die Überlebenden ausgesetzt waren, welches im Nürnberger Prozess eine wesentliche Rolle spielte.

Das Gedenken an die Opfer und die Würdigung der Befreier ist heute noch immer von großer Relevanz. Doch obwohl heute die historische Erinnerung durch politische Strömungen herausgefordert wird, bleibt die Bedeutung der Kriegsreporter für die Aufdeckung von Kriegsverbrechen unverändert wichtig und gefährlich.

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