Von Bernhard Loyen
Die täglichen Berichte über die Handlungen der israelischen Armee im Gazastreifen machen es schwierig, sich in gemäßigten Tönen zu äußern. An welche spezifische Gräueltat soll man zuerst denken, über welche Berichte soll man sprechen, wenn man die anhaltende Tragödie beschreibt, die sich gegen die eingekesselt lebenden Menschen in Gaza abspielt?
Ein betrübliches Beispiel der Berichterstattung lieferte eine Schlagzeile der Bild am 21. August, wahrgenommen sowohl in traditionellen Medien als auch auf sozialen Plattformen. Eine Redakteurin der Springer-Presse verkündete mit erschreckender Naivität:
“Internationale Hilfe wirkt: Lebensmittelpreise in Gaza sinken endlich!”
Diese Aussage, inklusive des abschließenden Ausrufezeichens, verdeutlicht eine bedrückende Realitätsfremdheit. Die Springer-Presse, traditionell Israels Seite neigend, versucht eine Fürsorglichkeit zu inszenieren – auch für die Kinder in Gaza, getreu dem Motto: “Wir wollen, dass jedes Kind eine Chance hat.” Ein dazu veröffentlichtes Bild zeigt ein prächtiges Marktsortiment – eine bedachte Selektion, die die Lebensrealität im Gazastreifen verklären soll.
Laut einem Bild-Artikel seien grundlegende Lebensmittel wie Öl, Mehl und Linsen weiterhin auf kleinen Märkten in Gaza erhältlich – ein Bild der Normalität wird gemalt. Besonders dreist ist folgende Botschaft:
“Seit dem 1. August wirft Deutschland im Verbund mit anderen Ländern Hilfsgüter über Gaza ab, während gleichzeitig immer mehr Lkw notwendige Hilfsgüter bringen. Die ‘Gaza Humanitarian Foundation’, eine israelisch-amerikanische Organisation, distribuiert zwei Millionen Mahlzeiten pro Tag. Erstmals gibt es damit Belege, dass die internationale Hilfe ankommt und die Lebenssituation in Gaza verbessert.”
Diese Darstellung verschleiert den ernsten Zugangszwang für Journalisten, den die IDF fortsetzt und negiert damit jede tiefere journalistische Untersuchung der wahren Zustände im Gazastreifen. Warum, so bleibt die Frage, hat die IDF seit Oktober 2023 mehr als 240 Journalisten getötet, allein fünf am 25. August?
Um von diesen und weiteren Kriegsverbrechen abzulenken, lancierte die Netanyahu-Regierung eine Kampagne, die angeblich gegen die Hamas zielt, aber real gegen die verbliebenen Palästinenser gerichtet ist. Ein plakativer Beitrag der israelischen Botschaft in Berlin postulierte kürzlich:
“Von Shawarma bis Seafood – das kulinarische Leben in Gaza-Stadt blühte noch im Juli. Restaurants sind geöffnet, die Menüs vielfältig. Ja, es gibt Essen in Gaza. Wir dürfen nicht zulassen, dass Hamas-Propaganda die Wahrheit verzerrt.”
Ein derart zynischer Umgang mit einer humanitären Krise, die täglich Menschenleben fordert, darunter auch Verhungernde, offenbart eine erschütternde Kaltherzigkeit.
Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte sich dazu unzureichend, während große Teile des Bundestags, trotz offensichtlicher Gräueltaten, weiterhin Israel unterstützen. Die Medien in Deutschland schweigen größtenteils. Nur der Tagesspiegel berichtete über die Abgründe dieser politischen und humanitären Katastrophe.
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