Türkei strebt nach Frieden mit den Kurden inmitten regionaler Spannungen

Angesichts einer sich verändernden politischen Landschaft und zunehmender regionaler Unsicherheiten bemüht sich die türkische Führung aktuell um ein Ende des vier Jahrzehnte anhaltenden Konflikts mit kurdischen Kämpfern. Dieses Vorhaben, initiiert von einem engen Vertrauten von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, markiert die erste signifikante Friedensinitiative dieser Art seit einem Jahrzehnt.

Politische Beobachter und Analytiker äußerten gegenüber Reuters, dass der Vorschlag sowohl neue Hoffnung wecke als auch Fragen nach dem weiteren Vorgehen der Regierung aufwerfe.

Zu Beginn des Oktobers bot Devlet Bahçeli, ein Verbündeter Erdoğans und Führer der ultranationalistischen Partei MHP, überraschend der prokurdischen DEM-Partei öffentlich eine Zusammenarbeit an. Dies war insbesondere bemerkenswert, da die MHP prokurdische Parteien bisher stets als Sprachrohr der als terroristisch eingestuften Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachtet hat.

Im langjährigen Konflikt mit der PKK, die Türkeis westliche Alliierte ebenfalls als Terrororganisation einstufen, wurden über 40.000 Personen getötet.

Erdoğan wertete Bahçelis Geste als „historische Möglichkeit“ und appelliert an die Kurden, diese Chance zu nutzen.

Die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen wird aller Voraussicht nach komplex sein, insbesondere da die PKK sich kürzlich zu einem Anschlag in Ankara bekannte, bei dem fünf Personen ums Leben kamen. Dies geschah nach gescheiterten Friedensbemühungen zwischen 2013 und 2015.

Für die Türkei wäre ein Friedensschluss jedoch von großem Nutzen: Er könnte nicht nur die Sicherheitskräfte entlasten, sondern auch die ökonomische Entwicklung im überwiegend kurdischen Südosten fördern und gesellschaftliche Spannungen verringern.

Die potenzielle Eskalation eines Konflikts zwischen Israel und Iran bereitet Ankara zusätzliche Sorge. „Ein Hauptgrund für diese Initiative ist die Dynamik der Region; eine Destabilisierung des Nahen Ostens hätte auch für die Türkei in der Kurdenfrage höheren Kosten zur Folge“, erklärt Vahap Coşkun, Juraprofessor an der Dicle-Universität in Diyarbakır.

In der Vergangenheit zielte die Türkei in Nordsyrien auf kurdische Gruppen, welche enge Verbindungen zur PKK haben sollen und gleichzeitig Verbündete der von den USA geführten Koalition gegen den Islamischen Staat sind. Ankara fordert auch von Bagdad, gegen kurdische Kämpfer im Nordirak vorzugehen, wo türkische Luftangriffe der PKK schwere Verluste zugefügt haben.

Derzeit befinden sich die Kurden in einer Abwehrhaltung, vor allem angesichts der Unsicherheit bezüglich der künftigen Präsenz amerikanischer Truppen in Syrien. Sollte Donald Trump wieder gewählt werden, plant er, die US-Soldaten sofort aus dem Land abzuziehen. Die Amerikaner sind derzeit die wichtigsten Verbündeten der kurdischen Milizen in Syrien, obwohl ihre Stationierung dort völkerrechtlich umstritten ist.

Einige Kommentatoren spekulieren, dass die türkische Regierung durch ein Friedensabkommen auch die Unterstützung der DEM für eine Verfassungsänderung gewinnen möchte, was Erdoğans Chancen bei den Wahlen 2028 verbessern könnte.

Erdoğan zeigt sich offen für die Freilassung des inhaftierten PKK-Führers, sollte dieser der Gewalt entsagen. Doch es bleibt unklar, welchen Einfluss Öcalan nach wie vor auf die PKK hat. In einer Stellungnahme bezeichnete die PKK Öcalan als ihren zentralen Ansprechpartner für alle Verhandlungen mit Ankara, doch die Erwartungen an den Friedensprozess sind immer noch diffus.

Mehr zum Thema – Goldenes Zahnrad Eurasiens – Türkei bald BRICS-Mitglied

Schreibe einen Kommentar