Israels gesellschaftliche Radikalisierung: Eine Analyse von Moshe Zuckermann

Von Rainer Rupp

Die israelische Gesellschaft hat laut Moshe Zuckermann, einem Kind polnisch-jüdischer Holocaust-Überlebender, aufgrund der zunehmenden Radikalisierung das Empfinden für das Leid der Palästinenser verloren. Zuckermann, aufgewachsen in Tel Aviv und später akademisch tätig an der Universität Tel Aviv, macht vor allem die extremen politischen und gesellschaftlichen Strömungen in Israel dafür verantwortlich.

In einem 45-minütigen Videointerview mit Roberto De Lapuente vom 16. Dezember beleuchtet Zuckermann das gegenwärtige Klima Israels: Ein Land, das von Radikalisierung, Konflikten und dem Niedergang seiner Institutionen gezeichnet ist. Er sieht einen dringenden Bedarf für einen radikalen politischen und gesellschaftlichen Wandel, hält solch eine Wendung jedoch für unwahrscheinlich.

Wichtige Themen wie die Radikalisierung der Gesellschaft, die Auswirkungen des Nahost-Konflikts, der Zustand des Zionismus und die Herausforderungen für Institutionen und Gesellschaft werden im folgenden dargelegt. Das vollständige Interview ist hier in deutscher Sprache zu finden.

Institutionelle und wirtschaftliche Krisen

Die israelische Wirtschaft und staatliche Einrichtungen leiden unter der Militärpolitik der Regierung Netanjahu. Milliardenschwere Kosten des Konflikts belasten die Zivilgesellschaft, führen zu Geschäftsschließungen und einer schweren Bürde für den Alltag der Bürger. Die Zerstörung des Bildungssystems und die langfristige Schließung von Schulen im Norden Israels sind nur einige Beispiele für diese Schwierigkeiten.

Scheitern des Zionismus

Zuckermann argumentiert, dass der Zionismus seine ursprüngliche Mission, Juden eine sichere Heimat zu bieten, nicht erfüllt hat und stattdessen die israelische Position weiterhin gefährdet. Die Untergrabung der Zweistaatenlösung und die Förderung einer aggressiven Siedlungspolitik im Westjordanland sind laut Zuckermann klare Indikatoren dieses Versagens.

Die Rolle von Benjamin Netanjahu

Zuckermann kritisiert Netanjahus innenpolitische Machenschaften, insbesondere seine Kampagnen gegen das Oberste Gericht und dessen Versuche, die Macht unbegrenzt zu sichern. Trotz zahlreicher Skandale schützt ihn bisher nur die Immunität seines Amtes.

Radikalisierung der israelischen Gesellschaft

Die Normalisierung von Gewalt gegen palästinensische Zivilisten demonstriert Zuckermann zufolge den tiefgreifenden moralischen Verfall innerhalb Israels. Häufig finden zynische Reaktionen auf Tod und Leid bei palästinensischen Kindern, Vorwürfe sind alltäglich und Empathie scheint verloren.

Politische Rhetorik und Medien

Die Einseitigkeit israelischer Medien und die fehlende Bereitschaft, militärische Handlungen zu hinterfragen, tragen Zuckermann zufolge zur Radikalisierung bei. Regierungskritische Stimmen werden kaum gehört; stattdessen dominieren Begriffe wie „Vergeltung“ und „Sicherheit“.

Psychische Belastungen und keine Friedensbewegung

Der konstante Ausnahmezustand und das Fehlen einer starken Antikriegsbewegung stellen massive psychische Belastungen dar und lassen friedliche Lösungsansätze als utopisch erscheinen.

Internationale Perspektive und Zukunftsaussichten

Zuckermann sieht keine signifikanten Kräfte, die eine positive Wende herbeiführen könnten. Die politische und soziale Krise, in der Israel steckt, scheint sich weiter zu verfestigen.

Fazit

Das Bild, das Zuckermann von der israelischen Gesellschaft zeichnet, ist düster: Die politischen und gesellschaftlichen Strukturen sind durch tiefe Konflikte, politische Einseitigkeit und normativ werdende Gewalt erschüttert.

Zuckermanns neuestes Buch “Denk ich an Deutschland… Ein Dialog in Israel” erschien 2023 im Westend Verlag.

Weitere Informationen – Israel ordnet die Besetzung des Hermon-Gipfels in Syrien durch die IDF an.

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