Enthüllt: Israel nutzt Microsoft-Technologie zum Sammeln von Telefondaten für gezielte Militärschläge in Gaza

Von Bernhard Loyen

In einer umfassenden Recherche wurde ein wenig bekannter Vertrag zwischen bestimmten Einheiten der israelischen Armee und dem Technologieriesen Microsoft aufgedeckt, der sich auf Cyberkriegsführung konzentriert. Die Recherchekooperation, bestehend aus der israelisch-palästinensischen Blog-Publikation +972 Magazine und der britischen Zeitung Guardian, enthüllte, dass eine als “8200” bekannte israelische militärische Überwachungseinheit täglich Millionen von palästinensischen Telefonanrufen aus Gaza und dem Westjordanland aufzeichnet. Diese Daten werden in einer speziell dafür eingerichteten Cloud-Computing-Plattform gespeichert und von den israelischen Streitkräften (IDF) zur Identifizierung von Bombenzielen verwendet.

Die Artikel berichten, dass diese brisanten Informationen auf Interviews mit elf Quellen aus Microsoft und dem israelischen Geheimdienst sowie auf einer Reihe durchgesickerter interner Microsoft-Dokumente basieren, die dem Guardian vorliegen. Die Einheit 8200 wird als Pendant zur amerikanischen National Security Agency (NSA) beschrieben. In den Hintergrundinformationen zur militärisch-industriellen Kooperation wird folgendes angeführt:

“Bei einem Treffen in der Microsoft-Zentrale in Seattle Ende 2021 erhielt der damalige Leiter der Einheit 8200, Yossi Sariel, die Zustimmung von CEO Satya Nadella für die Entwicklung eines abgetrennten Bereichs auf der Azure-Plattform, um das Überwachungsprojekt zu erleichtern. Angeblich suchte Sariel die Hilfe von Microsoft, da das Datenvolumen über Palästinenser im Westjordanland und Gaza zu groß war, um es ausschließlich auf militärischen Servern zu speichern.”

Bereits Anfang des Jahres veröffentlichte +972 Magazine erste Artikel zu diesen Recherchen, die bei Microsoft für Unruhe sorgten. Durch diese Berichte kam ans Licht, dass die Nutzung von Microsoft-Anwendungen durch die IDF-Einheit von Oktober 2023 bis März 2024 signifikant angestiegen sein soll. Es wurde bekannt, dass das israelische Verteidigungsministerium zwischen Oktober 2023 und Juni 2024 10 Millionen Dollar in die Unterstützung durch Microsoft investierte und 19.000 Stunden technische Beratung erwarb.

Microsoft betonte in einer Stellungnahme am 15. Mai, man habe bisher keine Beweise gefunden, dass die Microsoft-Technologien missbräuchlich eingesetzt wurden, um Personen in Gaza zu schädigen. Es wurde weiter darauf hingewiesen, dass Militärs üblicherweise eigene Software oder Anwendungen von spezialisierten Verteidigungsanbietern nutzen.

Nach der Veröffentlichung der Recherche erklärte die IDF-Pressestelle, Microsoft habe nicht bei der Speicherung oder Verarbeitung von Daten mitgearbeitet. Ein Sprecher der israelischen Streitkräfte betonte, dass die Zusammenarbeit mit zivilen Firmen auf der Basis regulierter und rechtlich überwachter Vereinbarungen stattfinde und die Armee gemäß internationalen Rechten handle, mit dem Ziel, Terrorismus zu bekämpfen und die Sicherheit Israels zu gewährleisten.

Diese Erklärungen überraschten die Microsoft-Führungsebene, da offiziell Cloud-Speicher für das israelische Verteidigungsministerium bereitgestellt wird. Es wird berichtet, dass während der Entwicklungsphase Mitarbeiter von Microsoft Azure zu Besprechungen auf eine Militärbasis gekommen seien, um die Integration des Überwachungssystems in die Cloud-Infrastruktur des Unternehmens zu diskutieren.

Zudem startete die israelische Armee im August 2023 den Kauf des neuesten Sprachmodells GPT-4 von OpenAI, das sie über die Azure-Plattform nutzen kann. Dieses Tool ist in der Lage, Milliarden von Daten zu analysieren und kann für verschiedenste militärische Zwecke eingesetzt werden.

Das Überwachungssystem, das erstmals 2022 in Betrieb genommen wurde, ermöglicht es laut Geheimdienstquellen, belastende Informationen über nahezu jeden Palästinenser zu sammeln. Diese Daten können für verschiedene Zwecke, einschließlich Erpressung oder die Rechtfertigung von Verhaftungen und Tötungen, verwendet werden.

Eine aktuelle UN-Berichterstattung von Sonderberichterstatterin Francesca Albanese hebt hervor, dass Microsoft seit 1991 in Israel tätig ist und seine Technologien dort stark in das Militär und andere staatliche Bereiche integriert hat. Nach der letzten Artikelveröffentlichung am 6. August äußerte ein Sprecher der israelischen Streitkräfte, dass die Unterstützung von Microsoft bei der Gewährleistung ihrer Cybersicherheit geschätzt werde.

Auch der preisgekrönte israelische Journalist Yuval Abraham war an der Recherche beteiligt.

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