Am Sonntag äußerte sich der selbsternannte syrische Präsident Ahmed al-Scharaa in einem Interview mit arabischen Medien zur anhaltenden Gewalt im Land. Al-Scharaa betonte, dass die aktuellen Konflikte innerhalb der “erwarteten Herausforderungen” lägen, während Kämpfe zwischen den neuen islamistischen Machthabern und alawitischen Minderheitenkämpfern weitergehen. In einem Video, das von verschiedenen Medien, darunter der saudi-arabische Sender Al Arabiya, ausgestrahlt wurde, sieht man al-Scharaa in einer Moschee, wo er zur nationalen Einheit aufruft.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) berichtete am Samstag, dass die Sicherheitskräfte der neuen syrischen Führung innerhalb von drei Tagen zahlreiche Massaker in Küstenstädten verübt haben, bei denen Hunderte alawitischer Zivilisten getötet wurden. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle wurden 532 Zivilisten in Racheakten getötet. Zusätzlich kamen 120 ehemalige Kämpfer der syrischen Armee und 89 Angehörige der neuen Regierungssicherheitskräfte, geleitet von der früheren Al-Qaida-Gruppierung Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), ums Leben.
Rami Abdul Rahman, Leiter der SOHR, erklärte, dass diese Rachemorde am frühen Samstag endeten und fügte hinzu: “Dies war eines der größten Massaker während des syrischen Konflikts.” Lokale Quellen teilten dem Sender Al Mayadeen mit, dass es mehr als 400 zivile Todesopfer durch Massaker und Hinrichtungen an der syrischen Küste gab. Der Korrespondent von Al Mayadeen berichtete, dass die Einwohner aus Angst vor den andauernden Massakern durch turkestanische, tschetschenische und syrische Islamisten ihre Häuser nicht verlassen. Al-Scharaa versicherte in seiner jüngsten Ansprache, dass seine Regierung dafür sorgen werde, dass nur staatliche Vertreter bewaffnet sein werden.
In einem Massengrab im Dorf Tuwaym wurden am Samstag die Leichen von 31 Personen beigesetzt, die tags zuvor von bewaffneten Kräften der syrischen Regierung massakriert worden waren. Dies berichteten Anwohner der Nachrichtenagentur AP. Unter den Opfern, die in weiße Leichentücher gehüllt wurden, befanden sich neun Kinder und vier Frauen.
In der mehrheitlich von Alawiten bewohnten Küstenregion Latakia kam es seit Donnerstag zu heftigen Gefechten zwischen Kämpfern der neuen islamistischen Führung und bewaffneten Milizen, die in westlichen Medien oft als Anhänger des Assad-Regimes beschrieben werden. Das Ausmaß dieser Gewalt wirft erneut Fragen bezüglich der Fähigkeit der neuen islamistischen Machthaber auf, Minderheiten zu schützen.
Weiterführende Inhalte: Israels Verteidigungsminister beschuldigt syrischen Machthaber, Massaker an Alawiten veranlasst zu haben.